Während der Dax damit breiter aufgestellt wäre und an Bedeutung gewinnen würde, dürfte der Stern des Nebenwerteindex MDax sinken. Der erst vor wenigen Jahren auf 60 Unternehmen erweiterte Index soll wieder auf 50 Werte schrumpfen. Wichtige Investoren können sich bis zum 4. November äußern, ob sie die Vorschläge befürworten.

In ersten Reaktionen äußerten sich Experten positiv. "Wir würden eine Vergrößerung des Dax begrüßen", sagte Fondsmanager Jürgen Hackenberg von Union Investment. "Damit würden sich die Indexgewichte der bisherigen Dax-Mitglieder verringern." Auch Uwe Streich, Indexexperte der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), sprach sich für mehr Werte im deutschen Leitindex aus. "Im Dax besteht das Problem, dass einige große Titel ein zu hohes Gewicht haben können." Während der US-Leitindex Dow Jones ebenfalls 30 Unternehmen umfasst, sind die meisten anderen Leitindizes größer. In Frankreich und Italien sind es 40 Werte, der EuroStoxx 50 als Leitindex der Euro-Zone enthält 50 Unternehmen.

Nach Berechnungen der Deutschen Börse würde die Marktkapitalisierung des Dax durch eine Vergrößerung um acht Prozent steigen, auf Risiko und Rendite des Leitindex hätte der Schritt dagegen so gut wie keine Auswirkungen. Zugleich würde der MDax durch seine Verkleinerung und den Dax-Aufstieg seiner größten Mitglieder fast ein Drittel seiner Marktkapitalisierung verlieren. Zu den aussichtsreichsten Aufstiegskandidaten zählen derzeit Firmen wie Symrise, Zalando, Sartorius, Qiagen und Hannover Rück. Der Flugzeugbauer Airbus ist nur deshalb nicht im Dax, weil der weitaus größte Teil des Börsenhandels mit seinen Aktien nicht in Frankfurt, sondern in Paris stattfindet.

STRENGERE AUFLAGEN


Zugleich zieht die Börse Konsequenzen aus dem Skandal um Wirecard. So sollen Firmen aus ihren Auswahlindizes Dax, MDax, TecDax und SDax verbannt werden, wenn sie ihre Zahlenwerke nicht fristgerecht vorlegen - also drei Monate nach Geschäftsjahresende und 45 Tage nach Ablauf eines Quartals. Vorgeschrieben wird auch ein Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, der etwa die Rechnungslegung überwacht und Konsequenzen aus Regelverstößen zieht. Ein solches Gremium hatte der inzwischen insolvente Zahlungsabwickler erst im vergangenen Jahr eingerichtet.

Nur noch nachweislich profitable Unternehmen sollen in den Dax aufsteigen können. Dazu müssen sie in den zwei Jahren vor dem Aufstieg in die erste Börsenliga einen operativen Gewinn (Ebitda) ausgewiesen haben - das hätte dem Essenslieferdienst Delivery Hero den Dax-Aufstieg verwehrt. Dem MDax und SDax dürfen unprofitable Unternehmen weiter angehören. Firmen, die mehr als zehn Prozent des Umsatzes mit geächteten Waffen wie Landminen erwirtschaften, sollen ausgeschlossen werden.

Auch die strengeren Anforderungen stießen auf ein positives Echo. "Wir wünschen uns qualitativ hochwertige und solide Unternehmen im Dax", sagte Hackenberg. In der Regel hielten die Top-Unternehmen die Transparenz- und Berichtspflichten sehr gut ein. "Es geht also mehr um klarere Regeln des Ausschlusses bei Nichteinhaltung der geforderten Reportingpflichten." Auch LBBW-Experte Streich begrüßt die Vorschläge, bezeichnet die Gewinn-Hürde aber als ein zweischneidiges Schwert. "Das Problem ist dann, dass Wachstumswerte erst sehr spät in den Dax aufsteigen."

Die Index-Zusammensetzung will die Börse künftig alle sechs Monate statt einmal jährlich regulär überprüfen. Ausschlaggebend für den Auf- oder Abstieg soll nur noch die Marktkapitalisierung des Streubesitzes sein, der Börsenumsatz soll keine Rolle mehr spielen. Davon würde etwa der Aromenhersteller Symrise profitieren. "Hohe Börsenumsätze sind nicht wirklich ein Qualitätskriterium", sagte Streich. "Sie können auch bedeuten, dass viel Hektik und Unsicherheit im Unternehmen sind."

Die Ergebnisse der Umfrage unter den Investoren will die Deutsche Börse vor dem 23. November veröffentlichen. "Ich bin auf das Ergebnis gespannt und bin sicher, dass die Weiterentwicklung der Kriterien dem deutschen Kapitalmarkt zu weiterer Qualität verhilft", sagte Börsenchef Weimer. Regeländerungen sollen frühestens im März 2021 wirksam werden.

rtr