In Deutschland wird die Nachrichtenlage zur Postbranche derzeit vom Streik bei der Deutschen Post bestimmt. Doch das ist ein temporäres Ereignis und wird die Haltung der Anleger gegenüber Aktien aus dem Sektor langfristig diktieren.

Geschätzt werden Postunternehmen an den Börsen in Europa nicht zuletzt als verlässliche Dividendenzahler. Lukrative Ausschüttungssätze waren in den vergangenen Jahren auch deshalb das dominierende Thema, weil das Niedrigzinsniveau ein Ausweichen auf Anleihen als Renditeersatz schwierig machte. Deshalb kommt es für die weitere Entwicklung bei den Postaktien auch daraufhin an, wie es mit den Anleiherenditen weitergehen wird.

Operativ gesehen müssen die europäischen Postgesellschaften in diesem Jahr außerdem mit einem geringen Momentum bei den Gewinnen, steigenden Investitionsausgaben und freien Cash Flows zurechtkommen. Aus Sicht von Morgan Stanley führt das dazu, dass die Postaktien im Schnitt derzeit keinen Bewertungsspielraum nach oben mehr haben.

Trotzdem gibt es drei Titel, die mit einem Kaufvotum ausgestattet sind oder gegenüber dem Kursziel von Morgan Stanley ein deutliches Aufwärtspotenzial aufweisen. Generell rät die US-Investmentbank momentan dazu, Aktien von Postgesellschaften zu bevorzugen, bei denen die ausgezahlte Dividendensumme gut durch die erzielten Gewinne abgedeckt wird und bei denen auch die Entwicklung auf Cash-Ebene stimmt.

Auf den nachfolgenden Seiten werden fünf Aktien aus der europäischen Postbranche basierend auf der Einschätzung der Morgan Stanley-Analysten vorgestellt. Dazu gehört auch die Deutsche Post. Die Kursziele liegen dabei in drei Fällen deutlicher über den aktuellen Notierungen und in einem Fall aber auch deutlich darunter.

Auf Seite 2: Post-Aktie Nummer eins: Royal Mail Group Plc.





Morgan Stanley-Einschätzung zu Post-Aktie Nummer eins: Royal Mail Group Plc. (WKN: A1W 5N2, 5,05 britische Pfund, alles Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 15. Juni)

Auf dem Abstellgleis steht bei Morgan Stanley derzeit die Aktie der Royal Mail Group. Die Anteilsscheine des britischen Unternehmens sind mit Untergewichten eingestuft und mit einem Kursziel von 340 Pence ausgestattet. Das liegt fast 33 Prozent unter dem aktuellen Kurs und lässt viel Raum für Kursverluste, falls die Analysten mit ihrer negativen Einschätzung Recht behalten sollten.

Begründet wird die Zurückhaltung unter anderem mit Bedenken hinsichtlich der weiteren Entwicklung beim freien Cash Flow in den kommenden Jahren. Kritisch sehen dürfte Morgan Stanley auch die Bewertung, denn die ist im Branchenvergleich bei einigen Kennziffern relativ anspruchsvoll. So wird das KGV für 2016 mit gut 61 angegeben und der Unternehmenswert zum Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen wird für das kommende Jahr auf das fast Vierzehnfache beziffert.

Abzuwarten bleibt auch, wie die Britische Post auf dem Heimatmarkt mit der Konkurrenz von Amazon zurechtkommen wird, nachdem der Online-Händler in Großbritannien jüngst sein eigenes Zustell-Netzwerk gestartet hat. Die Verantwortlichen bei dem ehemaligen Staatskonzern haben dazu passend kürzlich auch erst wieder vor einem anhaltend scharfen Wettbewerb gewarnt. Für das am 28. September zu Ende gegangenen ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2014/15 wurde ein um Sonderposten bereinigter Gewinnrückgang von fünf Millionen auf 163 Millionen britische Pfund bekannt gegeben, während der Umsatz gleichzeitig leicht von 4,52 Milliarden auf 4,53 Milliarden Pfund gestiegen ist.

Trotz Ergebnisminus ist der Gewinn besser ausgefallen als erwartet. Der Aktienkurs reagierte darauf trotzdem mit Abgaben, hat sich in diesem Jahr bisher aber sehr gut entwickelt. Vergangenen Donnerstag ging es zwar deutlicher abwärts, aber letztlich fiel da Tagesminus von 3,6 Prozent sogar glimpflich aus, gemessen daran, dass sich der Staat von rund 15 Prozent des von ihm gehaltenen Aktienkapitals getrennt hat. Damit wurde der noch verbliebene Anteil halbiert und auch vom Rest will sich die Regierung zum Schuldenabbau im Staatsbudget trennen.

Aus Anlegersicht lockt der Titel, der im Herbst 2013 teilprivatisiert und an die Börse gebracht worden war, vor allem mit einer geschätzten Dividendenrendite von 4,3 Prozent. Allerdings hat Morgan Stanley auch daran etwas auszusetzen, weil man nicht sicher ist, wie gut die Ausschüttungshöhe zur vorsichtig beurteilten Entwicklung beim freien Cash Flow passt.

Auf Seite 3: Post-Aktie Nummer zwei: Österreichische Post AG



Morgan Stanley-Einschätzung zu Post-Aktie Nummer zwei: Österreichische Post AG (WKN: A0J ML5, 43,10 Euro)



Eine neutrale Haltung nimmt Morgan Stanley gegenüber der Aktie der Österreichischen Post ein. Diese Einstufung hat aber noch nicht allzu lange Bestand, denn bis vor kurzem wurde der Titel noch als Untergewichten geführt. Im Zuge dieses neuen Urteils wurde auch kräftig am Kursziel geschraubt. Die Vorgabe wurde hier sehr deutlich von 30,80 Euro auf 44,00 Euro erhöht. Gemessen am aktuellen Kurs ist der Wert somit aus Sicht von Morgan Stanley praktisch fair bewertet.

Als Begründung für das veränderte Anlageurteil wurde auf das positive Momentum beim Cash Flow verwiesen. Verhindert wurde eine noch bessere Meinung zu dem Titel allerdings durch die Bewertung, die im Branchenvergleich mit einer Prämie ausgestattet sei. Festmachen lässt sich das an einem KGV für 2016 von 18,5 und an einem Verhältnis von Unternehmenswert zum Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen von 11,2. Eine ähnliche Haltung beim Blick auf die Bewertung nimmt übrigens auch J.P. Morgan an. Nach Ansicht der dortigen Analysten wird das Papier sogar über dem fairem Wert gehandelt.

Bewertungstechnisch scheint der Titel nach einem in den vergangenen Jahren vollzogenen Neubewertungsprozess weitgehend ausgereizt und auch fundamental gab es zuletzt keine neuen Impulse. Zumindest dann nicht, wenn man die Zahlen für das erste Quartal im laufenden Geschäftsjahr zu Grunde legt. Denn da legt der Umsatz nur leicht um 0,6 Prozent auf 601,9 Millionen Euro zu, wobei ein Rückgang im Briefgeschäft einmal mehr durch wachsende Umsätze im Paketgeschäft kompensiert werden konnte. Beim Periodenergebnis blieben 43,8 Millionen Euro hängen, was nahezu identisch mit dem im Vorjahreszeitraum erzielten Wert von 43,7 Millionen Euro ist. Der operative Cashflow konnte aber von 50,6 Millionen auf 59,6 Millionen Euro verbessert werden.

Punkten kann der Titel mit der betriebenen Ausschüttungspolitik. Für das Geschäftsjahr 2014 wurde die Dividende auf 1,95 Euro je Aktie angehoben und für 2015 könnte es 2,00 Euro werden. Damit würde die geschätzte Dividendenrendite bei 4,64 Prozent liegen. Steigen die Renditen am Anleihemarkt weiter, würde dieses Argument künftig aber etwas weniger stark ins Gewinnt fallen als das noch vor wenigen Wochen der Fall gewesen ist.

Auf Seite 4: Post-Aktie Nummer drei: bpost S.A.



Morgan Stanley-Einschätzung zu Post-Aktie Nummer drei: bpost S.A. (WKN: A1W 0FA, 24,96 Euro)



Ähnliches wie für die Österreichische Post gilt in Sachen Dividenden und Kursaussichten auch für die bpost. Vielleicht ist das Zusammenspiel hier sogar noch etwas stärker. Denn das belgische nationale Postunternehmen, das im belgischen Leitindex BEL20 enthalten ist, ist mit einer noch etwas höheren geschätzten Dividendenrendite von rund fünf Prozent ausgestattet. Laut Morgan Stanley wird die Dividende derzeit zum 1,1-fachen vom freien Cash Flow abgedeckt und mittelfristig geht man von einer Ausschüttungsquote gemessen am freien Cash Flow von 85 Prozent aus.

Die genannte Dividendenrendite ist ansehnlich, hat aber nicht verhindert, dass der Titel im März auf einen bis jetzt anhaltenden Seitwärtskurs eingeschwenkt ist. Im Zaum gehalten wird die Notiz auch durch Erstquartalszahlen, die mit einem um 1,6 Prozent auf 616,6 Millionen Euro gesunkenen operativen Gewinn keine Impulse für eine Neueinschätzung brachten. Morgan Stanley sah jedenfalls keinen Anlass dafür, nach der Ergebnisvorlage etwas an den hauseigenen Gewinnschätzungen zu verändern.

Bei Morgan Stanley wird der Wert, an dem der belgische Staat noch einen Anteil von 50 Prozent plus 488 Aktien hält, derzeit mit dem Anlageurteil gleichgewichten geführt. Das Kursziel bei dem seit Juni 2013 an der Euronext Brüssel gehandelten Wert beträgt aber 28 Euro, was 12,2 Prozent über den aktuellen Notierungen liegt. Die Bewertung wird als neutral bezeichnet, wobei das KGV für 2016 mit 16,3 angegeben wird.

Als negativ wird ein vermutlich zunächst um vier bis fünf Prozent sinkendes Postaufkommen bezeichnet. Dem Unternehmen wird aber zugetraut, dies durch über der Inflation liegenden Preiserhöhungen zu kompensieren sowie mit Zuwächsen beim Paketversand und mit Kostendisziplin. Dem Paketgeschäft helfen dabei auch getätigte Akquisitionen in den USA und in China. Allerdings ist dieser Bereich mit geringeren Gewinnspannen als das heimische Paketgeschäft versehen und allgemein falle der Anteil dieses Bereichs noch nicht allzu groß aus.

Auf Seite 5: Post-Aktie Nummer vier: PostNL N.V.



Morgan Stanley-Einschätzung zu Post-Aktie Nummer vier: PostNL N.V. (WKN: A1J JQC, 4,003 Euro)



Ebenfalls gleichgewichtet lautet bei Morgan Stanley das Votum für die Aktien von PostNL. Allerdings verrät das nicht, dass das Kursziel mit 5,20 Euro deutlich über dem aktuellen Kurs liegt. Um diese Vorgabe zu erreichen, müsste die Notiz um rund 30 Prozent zulegen.

Gemessen an der Bewertung wären höhere Kurse sicherlich vertretbar. Das Verhältnis von Unternehmenswert zum Gewinn vor Steuern und Zinsen von 4,7 für 2015 ist jedenfalls moderat. Das gilt auch für das KGV von 4,7, das für 2016 zu Buche steht.

Der Aktienkurs des niederländischen Unternehmens, das in den Bereichen Transport von Briefen und Päckchen sowie E-Commerce tätig ist, wurde in diesem Jahr mit den europäischen Börsen im ersten Quartal nach oben gespült. Beflügelt hat aber auch das von FedEx für den Konkurrenten TNT Express abgegebene Übernahmeangebot, weil die Niederländische Post mit einem 14,8-prozentigen Anteil an TNT Express davon profitiert. Wie dem Gesamtmarkt ist dem Wert zuletzt aber auch etwas die Puste ausgegangen.

Neue entscheidende positive Kursimpulse aus dem Unternehmen waren jüngst aber auch Fehlanzeige. Schließlich gab das Nettoergebnis mit einem um 37 Prozent auf 34 Millionen Euro gefallenen Nettoergebnis keinen Anlass für eine weitere Neubewertung. Eher im Gegenteil, blieben die Zahlen doch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Gebremst wird der Elan auch dadurch, dass auf Sicht von zwei Jahren eher mit stagnierenden Gewinnen zu rechnen sein dürfte.

Zunächst noch kein Thema ist auch eine Dividendenzahlung. Die Analysten von Jefferies rechnen für 2015 und 2016 noch mit keiner Ausschüttung, für 2017 wird dann aber die Zahlung von 0,23 Euro je Aktie prognostiziert. Das wäre dann immerhin eine Dividendenrendite von 5,75 Prozent, bis es soweit ist, wird es aber noch etwas dauern, falls sich diese Dividendenhoffnung dann überhaupt in der genannten Höhe und in diesem Jahr erfüllt.

Auf Seite 6: Post-Aktie Nummer fünf: Deutsche Post AG



Morgan Stanley-Einschätzung zu Post-Aktie Nummer fünf: Deutsche Post AG (WKN: 555 200, 26,20 Euro)



Der Aktienkurs der Deutschen Post hat zuletzt auch belastend von der allgemeinen Schwäche am deutschen Aktienmarkt einen spürbaren Rückfall erlitten. Gegenüber dem im April bei 31,08 Euro aufgestellten Rekordhoch hat die Notiz fast 16 Prozent an Wert verloren. Die Verluste sind seitdem somit noch stärker als beim Dax ausgefallen, in dem dieser Titel enthalten ist.

Erklären lässt sich das wie allgemein bei den Branchenvertretern mit der wachsenden Konkurrenz für diesen Dividendentitel durch die steigenden Anleiherenditen sowie mit Quartalszahlen, die hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Im Falle der Deutschen Post kommt aber auch noch der Streik hinzu, von dem das Unternehmen betroffen ist.

Für Morgan Stanley sind die Aktien der Deutschen Post, in der sich das Logistik- und Frachtgeschäft in einer Transformations- und Neuausrichtungsphase befindet, dennoch derzeit die beste Wahl unter den europäischen Postaktien. Das gilt insbesondere für den Fall von weiter steigenden Renditen, weil dann irgendwann die Marktteilnehmer ihren Fokus auch darauf richten würden, dass bei einer anspringenden Konjunktur der zyklische Teil des Geschäftes anziehen würde. Über den Versandservice DHL, der Dienstleistungen vom Paketdienst über Kurierdienstleistungen bis zur Fracht- und Kontraktlogistik erbringt und rund 75 Prozent zum Konzernumsatz beisteuert, wäre das vorteilhaft für die Deutsche Post.

Vermutlich habe der Markt auch noch nicht das Potenzial auf eine Erhöhung der Gewinnspannen bei DHL und im Postbereich realisiert. Außerdem sei man auch stärker in Wachstumsregionen tätig, wie etwa in Asien, als das typischerweise bei der europäischen Konkurrenz der Fall sei. Trotzdem werde die Aktie mit einem Bewertungsabschlag im Sektor-Vergleich gehandelt. Morgan Stanley sieht zwar auch Risiken wie Pensionslasten oder relativ hohe Kosten, aber man rechnet auch mit einer Verbesserung bei der Rendite auf den freien Cash Flow von geschätzten fünf Prozent für 2015 auf acht Prozent in 2018.

Gestützt werden sollte der Kurs auch durch eine Dividendenrendite von 3,4 Prozent. Die Abdeckung der Ausschüttung gemessen am freien Cash Flow dürfte von 2015 bis 2018 vom 1,9-fachen in diesem Jahr bis 2018 auf das 2,1-fache steigen, so die Schätzung. Das KGV für 2016 wird auf 12,8 beziffert. Als Kursziel werden 35 Euro genannt. Das lässt verglichen mit der aktuellen Notiz 33,6 Prozent Luft nach oben. Um dieses Potenzial erschließen zu können, wird aber vermutlich auch der Gesamtmarkt wieder besser abschneiden müssen als zuletzt und hilfreich wäre auch eine Beilegung des Streiks. Allerdings hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Wochenende diesen Streik noch weiter ausgeweitet.