Das Wachstum in der wichtigen Cloud-Sparte geht zurück. Sollten Anleger noch auf die Amazon-Aktie setzen?

Zunächst hatte alles noch bestens angefangen. Die Quartalszahlen des E-Commerce-Giganten lagen über den Erwartungen der Analysten, die Amazon-Aktie schoss nachbörslich um rund zwölf Prozent nach oben. Der Umsatz lag mit 127 Milliarden Dollar rund drei Milliarden über den Erwartungen, der operative Gewinn betrug 4,8 Milliarden Dollar. Erwartet worden waren nur drei Milliarden Dollar. So weit, so gut.

Amazon-Aktie unter Druck

Dann folgte jedoch die Information, dass sich das Wachstum der für Amazon enorm wichtig gewordenen Cloud-Sparte AWS deutlich verlangsamt hat. Der Umsatz stieg zwar im Vergleich zum Vorjahresquartal um 16 Prozent auf 21,4 Milliarden Dollar, was jedoch verglichen mit Wachstumsraten von 40 Prozent aus dem vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang darstellt. Tatsächlich fiel die Wachstumsrate so niedrig aus wie noch nie, seitdem Amazon die Zahlen der Cloud-Sparte separat veröffentlicht. Die Aktie gab daraufhin fast die gesamten Kursgewinne ab und war im vorbörslichen Handel am nächsten Tag bloß noch rund ein Prozent im Plus. Nicht nur das Wachstum ging zurück, auch war die AWS-Sparte im abgelaufenen Quartal weniger profitabel als im Vorjahr, was unter anderem daran lag, dass es Rabatte im Gegenzug für längere Vertragslaufzeiten gab, wie Finanzchef Brian Olsavsky mitteilte. Insgesamt sank der operative Gewinn der Cloud-Sparte um 22 Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar. 

Amazon: Ohne AWS kein Gewinn

Das ist deshalb so dramatisch, weil AWS seit Jahren die Haupteinnahmequelle des Konzerns ist. 2022 stand die Cloud-Sparte sogar für 100 Prozent des operativen Gewinns, da alle anderen Geschäftsbereiche unprofitabel waren. Jede Veränderung der Wachstumsrate der Cloud-Sparte hat also einen starken Einfluss auf die langfristige Bewertung von Amazon. Auch das Wachstum im Kerngeschäft, dem Onlineversandhandel, hat dramatisch abgenommen. Verglichen mit dem Vorjahresquartal fiel der Umsatz der Sparte gleich aus, verglichen mit demselben Zeitraum 2021 sank der Umsatz sogar um vier Prozent. Um die Profitabilität zu verbessern, hat Amazon dieses Jahr bereits die Streichung von 27 000 Stellen bekannt gegeben, die größte der Firmengeschichte. Stark zugenommen hat hingegen der Umsatz mit Einnahmen von Drittanbietern, die Amazons Plattform nutzen, um eigene Produkte zu verkaufen. Dieser stieg um 18 Prozent auf 30 Milliarden Dollar, der Umsatz mit Werbung stieg um 21 Prozent auf 9,5 Milliarden Dollar. Analysten interessierte neben den aktuellen Zahlen auch brennend das Thema künstliche Intelligenz, nachdem vor allem Microsoft und OpenAI mit ihrem Chatbot ChatGPT im Fokus stehen. Amazon-Chef Andy Jassy gab sich optimistisch, dass auch AWS durch die zunehmende Verwendung von künstlicher Intelligenz profitieren werde. Etwa durch den steigenden Bedarf für Tools, die Firmen helfen, die Technologie für ihren eigenen Bedarf anzupassen, oder durch spezielle KI-Chips, an deren Entwicklung Amazon aktuell arbeite.

Einschätzung zur Amazon-Aktie

Angesichts mit einem für 2023 erwarteten KGV von 69 scheinen die Risiken für ein Kursausbruch nach unten größer als die Chancen hin nach oben. Ergebnisverfehlungen und ein sich weiter abschwächendes Wachstum könnten einen rapiden Abverkauf ähnlich wie bei der Netflix-Aktie 2022 auslösen, der dann aber womöglich auch eine interessante Einstiegsmöglichkeit bei der Amazon-Aktie sein könnte.

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Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 18/2023. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.

Amazon-Aktie

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