von Andreas Büchler




Chart 1 - DAX Intradaychart



Die wichtigste Botschaft gleich vorneweg: Kurzfristig agierende Anleger müssen bis heute Nachmittag die Finger vom Markt lassen, es sei denn, sie möchten (Börsen-)Lotto spielen. Grund dafür ist die um 14:30 Uhr stattfindende Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB), in der sich die Währungshüter voraussichtlich über Art und Umfang eines milliardenschweren Anleihekaufprogramms nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed äußern werden. Der auch als "Quantitative Easing" bezeichnete Kauf von staatlichen Schuldtiteln soll das Wachstum in der Eurozone ankurbeln und Deflation im Keim ersticken.

Für Anleger, die eine Entwicklung des DAX unmittelbar nach der Pressekonferenz abschätzen wollen, ist derzeit nur eine Frage wichtig: Welche Erwartungen hat der Markt an die EZB und was wird geschehen, wenn diese erfüllt, enttäuscht oder übertroffen werden. Von Insidern ist zu hören, dass das Volumen der Anleiherückkäufe rund 50 Mrd. EUR monatlich betragen soll und mindestens ein Jahr dauern soll. Insgesamt wird mit einem Umfang von 750 Mrd. EUR gerechnet, so der Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain. Eine Billion Euro (die nur schwer vorstellbare Zahl 1.000.000.000.000) wäre eine "positive Überraschung", 500 Mrd. wären dagegen schon fast eine Enttäuschung. Äußern sich die Notenbanker gar nicht, wäre das extrem schlecht, weil die Märkte das schon erwarten, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo.

Im letztgenannten Fall dürfte der DAX stärker einbrechen, eine erste Station ist dann der Bereich um 10.050/10.100 Punkte, der vor allem im Tageschart (auf Seite 2) gut erkennbar ist - es handelt sich dabei um eine ehemalige Verkaufszone, die nun einen Rollentausch hin zur Unterstützung (Kaufzone) vollziehen könnte, da sie noch in den Köpfen vieler Marktteilnehmer präsent ist. Sie dürfte aber nur dann die Endstation für einen Einbruch sein, wenn die Märkte geringfügig enttäuscht sind, beispielsweise wenn ein leicht schwächeres Rückkaufvolumen angekündigt wird als erwartet.

Ansonsten kann es schon innerhalb eines Handelstages weiter abwärts gehen bis mindestens an das Areal bei 9930/9980 Punkten. Es leitet sich aus einer ehemals schwer überwindbaren charttechnischen Widerstandszone ab und wird nun für erste Schnäppchenjagden verwendet. Der Bereich hat sich bereits bei einem kleineren Rückfall der Kurse Mitte Januar als Kaufzone herausgestellt. Fällt die Ankündigung des Anleihekaufprogramms heute ganz aus, sind stärkere Verluste so gut wie sicher. Dann ist auch ein Test der 200-Tage-Linie und dort verlaufenden Unterstützung bei 9580/9600 denkbar - selbst dafür braucht der DAX im Extremfall kaum länger als ein paar Handelstage. Doch dieses Szenario ist momentan noch das Unwahrscheinlichste.

Am höchsten stehen die Chancen dafür, dass die EZB die Markterwartungen erfüllt, doch auch dann ist nicht mehr mit Freudensprüngen zu rechnen. Viel ist bereits im Deutschen Aktienindex eingepreist, der sich aktuell um 4,5 Prozent von seinem Monatsdurchschnittskurs (21-Tage-Linie) nach oben entfernt hat. Bis zu sechs Prozentpunkte beträgt die Differenz in guten Börsenphasen, es lässt sich also im Idealfall noch Spielraum bin etwa in den Bereich um 10.450 Punkte errechnen.

Nur in extremen Rally-Zeiten, die fast immer nur nach stärkeren Kurseinbrüchen einsetzten (siehe horizontale Markierungen im länger zurück reichenden Chart unten), sind auch mal Abstände von zehn Prozent gemessen worden. Dann hätte der Index Luft bis jenseits der 10.800er-Marke, wobei nach einem Anstieg von knapp 1000 Punkten seit der Monatsmitte und fast 2000 Zählern seit Oktober 2014 kein Durchmarsch mehr in diese Preisregion zu erwarten ist. Dazu müssten die Währungshüter den Markt mit Geld geradezu überschwemmen - wobei sich dann die Frage stellt, ob der Begriff "Währungshüter" noch gerechtfertigt ist. Das ist jetzt schon zu bezweifeln: Der Euro reagierte in den vergangenen Wochen bereits sehr sensibel auf die erwarteten Maßnahmen der EZB und ist gegenüber dem US-Dollar auf ein Elf-Jahres-Tief gefallen.

Ganz egal was die Europäische Zentralbank heute verkündet, die Kursschwankungen des DAX im Tagesverlauf dürften extrem - und damit unkalkulierbar - werden. Vor allen werden sie sich insbesondere im Vorfeld und unmittelbar nach der Pressekonferenz am Nachmittag in einem Tempo vollziehen, dass eine seriöse, nach Statistik errechnete Anlagestrategie kurzfristig kaum umsetzbar macht - das zeigt die Erfahrung mit vergangenen, ähnlich stark beachteten Ereignissen, die von außen auf den Markt einwirken und die vorhandenen Trends stören.

Anleger tun daher gut daran, sich nicht einzumischen wenn große Institutionelle Marktteilnehmer sowie automatische, computergesteuerte Algorithmen versuchen, neue Nachrichten in Sekundenbruchteilen in die Kurse einzupreisen. Besser ist es abzuwarten bis sich die Wogen wieder geglättet haben, und extreme Ausreißer nach oben oder unten zum billigen kaufen oder teuren verkaufen zu nutzen. Dabei können sie sich an den in der Analyse genannten Chartmarken orientieren. Passende Zertifikate für jede Richtung stellen wir am Ende der Analyse auf Seite 6 beispielhaft vor.

Chart 2 - DAX-Chart mit Abstand zur 21-Tage-Linie



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Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Durch den Sprung über die 10.100er-Marke ist der Weg nach oben nun frei. Neue mittelfristige Hürden müssen sich erst ausbilden, ein Kursziel lässt sich vorerst nur durch die Schwankungen um längerfristige Durchschnitte wie die 200-Tage-Linie berechnen (siehe Wochenchart auf Seite 3).

Wird das Angebot mittelfristig noch einmal höher als die Nachfrage, sind Verluste bis zur 8900er-Marke möglich. Dort haben sich seit Ende 2013 zahlreiche Zwischentiefs ausgebildet, auch jetzt dürften Anleger sich erneut an dieser Zone orientieren. Darunter hinaus gehende Verluste sind vorläufig eher unwahrscheinlich, dazu wäre der Markt an dieser Unterstützung bereits zu überverkauft. Mittelfristig ist bei anhaltendem Verkaufsdruck dann die Zone um 8350/8550 Punkten das nächste Kursziel, erst darunter ist der übergeordnete Trend dann auch mit gutem Willen nicht mehr als "seitwärts" einzustufen, sondern müsste auf "abwärts" abgestuft werden.





Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Der Chart auf Wochenbasis zeigt die Bedeutung der Zone um 8000/8150 Zähler als Unterstützung im Falle eines erneuten größeren Rückschlags, ebenso wird die 7500er-Marke als weiterer Haltebereich sichtbar. Doch derzeit konzentriert sich das Augenmerk der Marktteilnehmer verstärkt auf die Oberseite, und auch bei der Einschätzung positiver Szenarien hilft der Chart: Unter dem Kursverlauf ist der Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet, aus dem sich Kursziele auf der Oberseite bei etwa 11.000 bis maximal rund 11.500 Zählern errechnen lassen - diese Werte entsprechen den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 13 bis 20 Prozent Abstand zum aktuellen Durchschnittspreis.



Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis





Unterstützungen und Widerstände




























































Andreas Büchler ist Herausgeber des "Index-Radar", der größte tägliche Börsenstatistik-Report Deutschlands. Der Experte für Handelssysteme ist zudem Vorstand der Qarat AG, einer auf Quantitative Analyse und Algorithmic Trading spezialisierten Forschungsgesellschaft.

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