Die Top-Manager sollen jeweils 4,5 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen. Damit sei das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt, dem stehe die Schwere der Schuld nicht entgegen, teilte das Gericht am Mittwoch mit.
Das Geld sei beim Land Niedersachsen bereits eingegangen. Die Staatsanwaltschaft hatte den heutigen Konzern-Chef Diess und den früheren Finanzvorstand Pötsch im September angeklagt, weil sie ihre Pflichten zur Information des Kapitalmarktes verletzt hätten, als der Dieselskandal im September 2015 ans Licht kam. Die Anklage schwebte als Damoklesschwert über dem Autokonzern, denn bei Eröffnung des Prozesses hätten Diess und Pötsch viele Verhandlungstage auf der Anklagebank zubringen müssen.
Der Dieselskandal wurde im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden aufgedeckt. Volkswagen hatte zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine spezielle Software manipuliert zu haben. Diese sorgt dafür, dass Diesel-Autos die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber ein Vielfaches mehr der giftigen Abgase ausstoßen.
Der VW-Aufsichtsrat hatte kurz nach der Anklageerhebung im vergangenen Jahr entschieden, dass die beiden Top-Manager ihre Ämter fortführen sollen. Das Kontrollgremium erklärte mit Verweis auf umfangreiche juristische Untersuchungen, es sei keine vorsätzlich unterlassene Information des Kapitalmarktes durch Diess und Pötsch zu erkennen. VW argumentierte, die milliardenschweren finanziellen Folgen des Dieselbetrugs in den USA seien damals nicht abzusehen gewesen. Der Aufsichtsrat begrüßte nun die Einstellung des Verfahrens.
Volkswagen bezahlt für Diess und Pötsch die Geldbuße von jeweils 4,5 Millionen Euro. "Sowohl bei der Anklageerhebung im September 2019 als auch heute hat der strafrechtliche Berater und Vertreter des Unternehmens erklärt, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Herrn Pötsch und Herrn Dr. Diess nicht begründet sind", erklärte VW. Es liege im Interesse von Volkswagen, das Verfahren beizulegen, weil damit auch die Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen das Unternehmen selbst beendet werden könnten.
Nach Überzeugung der Strafverfolger hatten Diess, Pötsch sowie der damalige Konzernchef Martin Winterkorn die Börse vorsätzlich zu spät über die aus der Aufdeckung der Diesel-Manipulationen resultierenden Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert. Sie hätten damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen. Diess war 2015 wenige Monate vor Auffliegen der Abgasmanipulation als VW-Markenchef nach Wolfsburg gekommen, zum Konzernlenker stieg er vor gut zwei Jahren auf.
VERFAHREN GEGEN EX-KONZERNCHEF WINTERKORN NOCH OFFEN
Neben Diess und Pötsch wurde auch der damalige Konzernchef Martin Winterkorn wegen Marktmanipulation sowie wegen Betrugs angeklagt. Dieses Strafverfahren sei weiterhin in einem nichtöffentlichen Zwischenverfahren anhängig, erklärte das Landgericht. Winterkorn ist der ranghöchste frühere VW-Manager, der sich für Dieselgate vor Gericht verantworten soll. Ihm und zehn weiteren Personen werden Betrug und andere Delikte im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation vorgeworfen. Anfang des Jahres erklärte die Staatsanwaltschaft Braunschweig, gegen 32 weitere Personen noch zu ermitteln. Die Staatsanwaltschaft München klagte im Juli 2019 den früheren Audi-Chef Rupert Stadler und den für Motorenentwicklung bei VW einst zuständigen Wolfgang Hatz sowie zwei weitere Ingenieure ebenfalls wegen Betruges, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung im Zusammenhang mit Dieselgate an.
Für Volkswagen ist "Dieselgate" ein finanzielles Desaster: Die Wiedergutmachung des Skandals hat den Konzern bislang mehr als 30 Milliarden Euro gekostet - vor allem Strafen und Schadenersatzzahlungen in Nordamerika. In Deutschland droht dem Autokonzern im Rechtsstreit mit Autobesitzern um Schadenersatz ein Rückschlag. Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am Montag in einem Präzedenzfall über die Schadenersatzklage eines VW-Dieselbesitzers. Bei der Verhandlung Anfang des Monats gab das Gericht zu erkennen, dass es die Abgasmanipulation als Schädigung des Käufers betrachtet. Nach einem aktuellen Urteil des Landgerichts Bonn muss VW der Stadt Bonn gegen Rücknahme von 27 städtischen VW-Dieselfahrzeugen knapp 470.000 Euro Schadensersatz zahlen.
rtr