Am 5. November beginnt vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt ein Verfahren, das Signalwirkung für die gesamte Versicherungsbranche haben könnte. Unter anderem geht es um die Frage, ob Provisionen, die Versicherungsmakler einstreichen, an die Kunden zurückgegeben werden dürfen oder nicht. Für das Versicherungsportal Gonetto geht es um die Existenz. Das Start-up bietet Versicherten an, bestehende Verträge quasi auf den Nettotarif umzustellen, indem es die Bestandsprovisionen an die Kunden weiterleitet. Diese Praxis hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) 2018 faktisch gestoppt. Wir sprachen mit Unternehmensgründer Dieter Lendle, der dagegen geklagt hat.


Börse Online: Herr Lendle, wo liegt der Fehler im Geschäftsmodell von Gonetto?
Dieter Lendle: Wir können keinen erkennen, was uns auch renommierte Rechtswissenschaftler und Rechtspraktiker bestätigen. Der Fehler liegt im sogenannten Provisions­abgabeverbot, das vor dem Zweiten Weltkrieg erlassen wurde, als der Versicherungsvertrieb größtenteils über Haustürgeschäfte abgewickelt wurde. Damals sollten Verbraucher davor geschützt werden, dass ihnen der Vertreter 100 Mark auf die Hand verspricht, wenn sie sofort unterschreiben.

Was soll daran falsch sein?
In Bezug auf Gonetto ist diese Angst völlig unbegründet. Wir drängen Kunden nicht dazu, neue Versicherungen abzuschließen. Wer zu uns kommt, behält seine bestehenden Verträge. Wir sorgen lediglich dafür, dass diese Verträge durch Rückzahlung der Provision an den Kunden quasi auf den provisionsfreien Nettotarif umgestellt werden. Damit entfällt die Bestandsprovision von meistens circa 20 bis 25 Prozent, die jedes Jahr an den Versicherungsmakler gezahlt wird, bei dem man den Vertrag irgendwann in grauer Vorzeit abgeschlossen hat.

Wofür braucht man dazu Gonetto? Jeder kann doch selbst den Nettotarif fordern.
Klar, aber ob man ihn bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Nettotarife werden meist nur unter dem Ladentisch angeboten, zum Beispiel für die eigenen Mitarbeiter. In der deutschen Versicherungswirtschaft haben wir es nach wie vor mit provisions­getriebenem Geschäft zu tun.

Wenn dem so ist, was hat die Bafin dagegen, dass Sie diese Strukturen aufbrechen?
Das wüssten wir auch gern. Ich habe zwei Jahre lang versucht, Kontakt aufzunehmen, um klärende Gespräche gebeten. Nie wurde ich zu den Verantwortlichen vorgelassen.

Irgendeine Idee müssen Sie doch haben?
Man wirft uns vor, einen Missstand zu schaffen, Fehlanreize zu setzen. Damit soll wohl gemeint sein, dass die Leute durch das gesparte Geld animiert werden, zusätzliche Versicherungen abzuschließen, die sie gar nicht brauchen. Dazu fehlt uns wiederum der Anreiz: Wir machen nur Sachversicherungen, bei denen Abschlussprovisionen keine Rolle spielen, auch keine Autoversicherungen. Die Umstellung und Verwaltung kostet bei uns einen Euro pro Vertrag und Monat, also zwölf Euro im Jahr, egal wie hoch die Prämie ist. Ich bin sehr gespannt darauf, ob mir in der mündlichen Verhandlung am 5. November jemand erklären kann, worin der Missstand bestehen soll.

Aber Ihnen war schon bewusst, dass in Deutschland ein Provisionsabgabeverbot existiert, bevor Sie Gonetto gestartet haben?
Als wir mit unserem Angebot 2017 an den Markt gingen, war bereits ein neues Versicherungsaufsichtsgesetz in Kraft, das Ausnahmen zulässt. Der Gesetzestext stützt die Lesart der Bafin also keineswegs. Übrigens ist die IHK die für uns zuständige Institution, nicht die Bafin. Und die IHK hat uns bestätigt, dass unser Angebot rechtskonform ist.

Sie behaupten, die Bafin sei nicht für die Versicherungsaufsicht verantwortlich?
Doch, für die Versicherungen, aber nicht für die Vermittler. Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die Bafin kann unser Geschäftsmodell nicht untersagen, aber sie hat die Versicherer zum Boykott gegen uns aufgerufen, ihnen regelrecht gedroht, wenn sie mit uns zusammenarbeiten. Es wäre schön gewesen, die Behörde hätte sich um Wirecard gekümmert, statt sich in Angelegenheiten einzumischen, für die sie nicht zuständig ist.

Ihr Schlussplädoyer?
Deutsche Gerichte haben nach meinem Kenntnisstand bereits festgestellt, dass das nur hierzulande existierende Provisionsabgabeverbot nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Nun setzt sich die Bafin mit ihrer Gesetzes­interpretation dafür ein, dass auch mit der gesetzlichen Neufassung des Verbots Provisionsinteressen vor Verbraucherinteressen gesetzt werden.