Eines ist in diesem turbulenten Jahr 2020 sicher: Die Corona-Pandemie hat den Siegeszug von Kreditkarte und Smartphone-Apps beim Bezahlen beschleunigt. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo das Sprichwort "Nur Bares ist Wahres" das hartnäckige Festhalten vieler Menschen an Geldscheinen und Münzen sehr gut charakterisiert. Knapp 60 Prozent der Deutschen, so hat eine aktuelle Umfrage des Deutschen Bankenverbands ergeben, zahlen inzwischen mit Geldkarten oder mobilen Endgeräten, Tendenz steigend.
Weltweit ist das digitale Shopping längst auf dem Vormarsch (siehe Infografiken Seite 20 rechts). Die Kreditkarten waren die Pioniere. Vor allem in den USA sind sie nach wie vor das bevorzugte elektronische Zahlungsmittel. Zum einen, weil sich die Verbraucher über Jahrzehnte daran gewöhnt haben, an der Kasse bequem per Schwenk am Kartenterminal zu zahlen. Zum anderen, weil es Kreditkartenkonzernen, Banken und Versicherern gelungen ist, über Dienstleistungen und Bonusaktionen ihre Kunden langfristig zu binden.
Inzwischen haben sich aber auch andere Akteure wie Fintechs, Social-Media-Unternehmen und Onlinehändler das digitale Bezahlen als lukrative Einnahmequelle erschlossen. China zählt mit seinen beiden Champions Alipay und WeChat Pay zu den Vorreitern. In den USA geben die beiden Technologiegiganten Apple und Google Pay mit ihren digitalen Geldbörsen den Ton an. Diese sind weit mehr als eine virtuelle Kreditkarte. Neben ihrer Bezahlfunktion integrieren sie die Identifizierung über Ausweise oder Führerschein und beinhalten Dienste wie Coupons oder Tickets. Eingebunden in dieses Ökosystem sind unterschiedlichste Akteure wie Mobilfunkanbieter, Hersteller von mobilen Endgeräten, Chiphersteller, Cloud-Anbieter, Banken und Onlinehändler. In vielen Entwicklungsländern, wo längst nicht jeder ein eigenes Bankkonto hat und wo Geldautomaten rar sind, ist das Bezahlen mit dem Smartphone der sicherste und schnellste Weg für Geldtransaktionen.
Übernahmen zu erwarten
Kein Wunder also, dass digitale Zahlungsdienstleister zu den am schnellsten wachsenden Segmenten im E-Commerce zählen. Dementsprechend steil ging es mit den Aktienkursen der hier tätigen Unternehmen nach oben. So hat sich der Börsenwert von Square in diesem Jahr mehr als verdreifacht. Die Amerikaner entwickeln unter anderem Hardware, die jedes Smartphone in ein Lesegerät für Kreditkarten verwandelt. Gleichzeitig konsolidiert sich der Markt. Die Übernahme der auf Bezahlterminals spezialisierten französischen Firma Ingenico durch den Zahlungsabwickler Worldline in diesem Jahr wird nur der Anfang gewesen sein. "Weil das Geschäft immer neue Einnahmequellen eröffnet, werden die Bluechips unter den Technologiekonzernen eine Schlüsselrolle bei dieser Konsolidierung spielen und Nischenplayer beispielsweise aus der Softwarebranche zukaufen", sagt Mikko Ripatti, Portfoliomanager bei DNB Asset Management. "Lediglich regulatorische Hürden, insbesondere in Europa, werden verhindern, dass am Ende nur wenige Gewinner den Markt dominieren. Vor allem Amazon hat hier gezeigt, wie es geht, sich im elektronischen Zahlungsverkehr ein eigenes Ökosystem mit Services und Technologien aufzubauen", führt der Experte aus.
Auf Marktführer setzen
E-Commerce- und Technologiegiganten wie Amazon, Apple, Alibaba oder die Google-Mutter Alphabet sind eine Option, am Boom mitzuverdienen. Wer die Aktien der führenden Konzerne in einzelnen Marktnischen kaufen will, muss genau analysieren, wo die stattlichen Bewertungen aufgrund der anhaltenden Wachstumsdynamik noch Spielraum für deutlich höhere Kurse lassen. Gerade bei Software- und Kreditkartenkonzernen, so Technologieexperte Ripatti, sei ein kritischer Blick nötig.
Fiserv ist ein Nischenplayer, der vor einem neuen Wachstumsschub steht. Das US-Unternehmen entwickelt Software und Dienstleistungen für Finanzanalyse und finanzielle Transaktionen. Über die 21,8 Milliarden US-Dollar schwere Akquisition von First Data haben sich Skaleneffekte und Neukunden nochmals kräftig erhöht. Dank der hohen Mittelzuflüsse kann Fiserv die durch die Übernahme aufgehäuften Schulden zügig abbauen. Die Wachstumsdelle aus dem ersten Halbjahr infolge der Corona-Krise ist bald ausgebügelt. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Management ein Gewinnplus von elf Prozent. 2021 soll sich der Konzerngewinn nach Einschätzung von Branchenexperten fast verdoppeln.
Wer vor vier Jahren auf die französische Firma Worldline und nicht auf deren deutschen Wettbewerber Wirecard gesetzt hat, kann sich jetzt über eine Verdreifachung des Aktienkurses freuen. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Der Zukauf von Ingenico wird in den nächsten Jahren bei Umsatz und Ertrag für einen zusätzlichen Schub sorgen. Der operative Gewinn soll in diesem Jahr stagnieren, dann aber bis 2022 um 150 Prozent nach oben schnellen. Ähnlich steil nach oben soll es in den nächsten drei Jahren mit dem niederländischen Wettbewerber Adyen gehen. Die Mittelzuflüsse wird das Unternehmen für Investitionen und Zukäufe verwenden und damit seine Marktmacht weiter ausbauen.
Für die US-Gesellschaft Square ist die Corona-Krise ein Wachstumsbeschleuniger. Ihre Bezahl-Apps für kleinere Händler und Privatkunden hat sie um neue Produkte ergänzt, die Geldüberweisungen zwischen einzelnen Kunden sowie deren Arbeitgebern abwickeln. Dazu kommen Kreditangebote. Alle diese Leistungen sind gerade in Krisenzeiten gefragt, in denen Verbraucher wenig auf der Kante haben und schnell Liquidität benötigen. Über Fonds können sich Anleger das digitale Bezahlen gekoppelt mit anderen Technologien ins Portfolio holen. Der BNP Paribas Funds Disruptive Technology Classic setzt ganz auf Unternehmen, deren Geschäft auf Software oder das Internet ausgerichtet ist. Zwei Drittel des Fondsportfolios stellen Konzerne, die im Bereich zyklische Konsumgüter unterwegs sind. Amazon, Square und Paypal zählen zu den größeren Positionen mit E-Payment-Bezug. Der Alliance Bernstein International Technology Portfolio A besteht dagegen zu zwei Drittel aus Technologiefirmen und Finanzdienstleistern. Hier lassen sich rund 20 Prozent des Portfolios dem E-Payment zuordnen.
Auf einen Blick
Digitales Bezahlen
Krisengewinner: Die Corona-Pandemie beschleunigt den weltweiten Trend, mit Karte oder Smartphone statt mit Bargeld zu bezahlen. Onlineplattformen wie Amazon und Alibaba profitieren davon ebenso wie Nischenanbieter von Hardware und Software.