Bei privaten Renten kann es systembedingt nicht zu einer doppelten Besteuerung kommen. Das hat der Bundesfinanzhof in einem zweiten Grundsatz-Urteil entschieden. Was für Ruheständler jetzt wichtig ist. Von Stefan Rullkötter
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer zweiten Entscheidung (X R 20/19) zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sogenannten doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Die Revision der Kläger, die eine doppelte Besteuerung eines Teils der bezogenen Renten beanstandet hatten, blieb ohne Erfolg. Der BFH hat in dem Rahmen nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sogenannten Öffnungsklausel entschieden.
Die obersten Finanzrichter stellten auch klar, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung, die - anders als gesetzliche Altersrenten - lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann. Zudem hat er entschieden, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Renten-beziehers gehören, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente.
Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere "Rürup"-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente ein-schließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 Proeznt an. 42 Prozent der ausgezahlten Rente blieben steuer-frei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wand-te das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die "Rürup"-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten - wie vom Gesetz vorgesehen - mit dem Ertragsanteil in Ansatz. Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Kläger hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten die gesetzliche Altersrente, eine der "Rürup"-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu er-wartenden Rentenzahlungen. Der BFH sah dies anders. Er entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind.
Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich. Dagegen teilte der BFH die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist.
Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre. Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.
Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Renten-freibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren - bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen - Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen. Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder "Rürup"-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht - wie von den Kläger begehrt - mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.
Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung. Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden