"Wir haben einen Impfstoff für die Welt", sagte der Leiter der Impfstoffgruppe der Uni Oxford, Andrew Pollard. Er verhindere nicht nur schwere Verläufe und Krankenhausaufenthalte, sondern könne auch zu Kühlschranktemperaturen gelagert werden. Das Vakzin könne daher rund um die Welt über die üblichen Vertriebswege für Impfstoffe ausgeliefert werden. Der Impfstoff von Biontech benötigt dagegen eine ultrakalte Lagerung von minus 70 Grad und ist bei normalen Kühlschranktemperaturen fünf Tage lang haltbar. Moderna erwartet, dass sein Impfstoff bei Kühlschranktemperaturen 30 Tage lang stabil ist und bis zu sechs Monate bei minus 20 Grad Celsius gelagert werden kann.
Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete die Studienergebnisse als "ermutigend". Man begrüße die Bemühungen von AstraZeneca und der Universität Oxford, den Impfstoff zu erschwinglichen Preisen abzugeben und dass dieser einfach zu lagern sei, erklärte die WHO-Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan. Die Kosten des Impfstoffs sollen sich nur auf wenige Dollar pro Dosis belaufen, das wäre ein Bruchteil des Preises für die Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna, die allerdings eine völlig neue Technologie verwenden.
Die Mainzer Biotechfirma Biontech und ihr US-Partner Pfizer sowie Moderna hatten in den zulassungsrelevanten Studien mit ihren Impfstoffen eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent nach zwei Impfdosen erzielt. Am Freitag hatten Biontech und Pfizer in den USA eine Notfallgenehmigung beantragt und erwarten diese bis Mitte Dezember. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich optimistisch, dass es noch in diesem Jahr eine Zulassung für einen Impfstoff in Europa geben wird. "Und dann können wir mit den Impfungen sofort loslegen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. AstraZeneca will noch in dieser Woche Gespräche mit der US-Gesundheitsbehörde FDA beginnen und Daten weltweit bei den Behörden einreichen, bei denen Schnellverfahren möglich sind.
Die Wirksamkeit des Impfstoffs von AstraZeneca hängt von der Dosierung ab. So wurde eine Wirksamkeit von 90 Prozent erzielt, wenn das Vakzin zunächst mit einer halben Dosis verabreicht wurde, gefolgt von einer vollen Dosis im Abstand von mindestens einem Monat. Wenn zwei volle Dosen im Abstand von mindestens einem Monat geimpft wurden, wurde laut der Zwischenanalyse - die aus Daten von Studien in Großbritannien und Brasilien beruht -nur eine Wirksamkeit von 62 Prozent erreicht.
Wissenschaftler warnten jedoch, das als Beweis zu werten, dass der Impfstoff weniger bringe als die der Konkurrenz. Es mache wenig Sinn, die Vakzine auf Grundlage von Ausschnitten aus den Phase-3-Daten voneinander abzugrenzen, sagte Danny Altman, Professor für Immunologie vom Imperial College London. "Ich glaube, dass wir in einem Jahr alle drei Impfstoffe mit einem Schutz von etwa 90 Prozent verwenden werden und viel glücklicher sein werden." Nach Einschätzung von Analyst Geoffrey Porges von SVB Leerink dürfte der Impfstoff von AstraZeneca in den USA wohl keine Zulassung erhalten. Er verweist darauf, dass das Studiendesign verschiedenen Anforderungen der US-Gesundheitsbehörde FDA nicht entspreche, etwa hinsichtlich der Repräsentation von Minderheiten oder älteren Menschen.
RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT NACH OSTERN?
Bis Ende des Jahres will AstraZeneca 200 Millionen Dosen fertiggestellt haben, bis Ende des ersten Quartals 2021 weltweit 700 Millionen Dosen. Biontech und Pfizer erwarten, 2020 weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen herzustellen und 2021 bis zu 1,3 Milliarden. Zahlreiche Regierungen haben sich Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca bereits vorab gesichert, auch die Europäische Kommission hat einen Kaufvertrag über bis zu 400 Millionen Dosen unterschrieben. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock sprach von "fantastischen Nachrichten". "Wir haben 100 Millionen Dosen bestellt, und wenn alles gutgeht, wird der Großteil der Auslieferung im neuen Jahr sein", sagte er dem Sender Sky News. Das Vereinigte Königreich ist in Europa mit am stärksten von der Pandemie betroffen, dort haben sich bislang mehr als 1,5 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Die britische Regierung hofft auf eine allmähliche Rückkehr zur Normalität nach Ostern.
Die bislang im Rennen führenden Impfstoffe unterscheiden sich vor allem durch ihre Herstellungsweise. Während die Vakzine von Biontech und Moderna auf einer völlig neuen Technologie basieren, beruht das von AstraZeneca auf einer herkömmlichen Herstellungsweise. Der Impfstoff, der mit der Universität Oxford entwickelt wird, ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, der auf Adenoviren von Affen basiert. Er soll Erbmaterial des Virus in menschliche Zellen einschleusen, das Immunsystem darauf mit der Bildung von Antikörpern reagieren.
Die Impfstoffe von Biontech und Moderna basieren dagegen auf der sogenannten Boten-RNA (mRNA), die den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln soll. Ein solcher Impfstoff soll schneller in großem Maßstab hergestellt werden können als herkömmliche. Er benötigt aber eben auch eine höhere Kühlung, was die Logistik erschwert. Auch fehlen Langzeiterfahrungen, da es bislang noch kein mRNA-Medikament oder -Impfstoff auf den Markt geschafft hat.
rtr