Tesla-Chef Elon Musk macht einen erneuten U-Turn und will Twitter jetzt doch übernehmen. In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC erklärte Musk, man wolle das Geschäft wie ursprünglich geplant zum Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar durchziehen. Was hinter dem ungewöhnlichen Hin-und-Her stecken könnte.
Elon Musk hatte im April angekündigt, er wolle den Kurznachrichten-Dienst für 44 Milliarden Dollar übernehmen. Im Juli folgte dann die Absage. Unter Verweis auf angebliche Falschaussagen Twitters zur Anzahl von Scheinkonten auf der Plattform wollte der Milliardär den Kauf doch nicht vollziehen.
Kauf zum ursprünglichen Preis vorgesehen
Es folgte ein gegenseitiges Verklagen. Der Beginn des Gerichtsprozesses im Bundesstaat Delaware war für den 17. Oktober geplant. In einer ersten Einschätzung erklärte der Analyst Dave Ives von Wedbush laut Reuters, Musk habe offenbar erkannt, dass er kaum Chancen auf einen Sieg vor Gericht habe. Im Falle einer Niederlage vor Gericht drohten hohe Strafzahlungen.
Nun soll der Kauf zum Original-Preis von 54,20 Dollar je Aktie beibehalten werden. Die Twitter-Aktie sprang am Dienstag um gut 22 Prozent auf 52 Dollar hoch. Am Mittwoch steht sie vorbörslich bei 51,78 Dollar.
In einer Erklärung des Twitter-Managements hieß es, man strebe weiter einen Verkauf zu dieser Summe an. Warum Musk seinen seit Monaten anhaltenden Streit mit dem Kurznachrichtendienst letztlich aufgab, blieb zunächst unklar. Musk schrieb nach seiner Kehrtwende auf Twitter, der Kauf von Twitter würde für ihn den Weg zu "X, der App für alles, beschleunigen".
Buying Twitter is an accelerant to creating X, the everything app
— Elon Musk (@elonmusk) October 4, 2022
Ein anderer Nutzer entgegnete, es wäre doch einfacher, diese App aus dem Nichts neu aufzubauen. Musk twitterte daraufhin: "Twitter beschleunigt die Entwicklung von X wohl um drei bis fünf Jahre, aber ich kann mich irren." Was genau hinter seiner Vision für eine Universal-App steckt, bleibt noch unklar.
Musk will "Alles-App" X entwickeln
Doch was verbirgt sich hinter "X"? Zunächst einmal handelt es sich dabei um eine alte Firma Musks. "X" war ein Online-Finanzdienstleistungs-Unternehmen, das der Visionär im März 1999 mitbegründet hatte, später mit einem Konkurrenten fusionierte und heute als PayPal bekannt ist.
Die Domain "X.com" wurde 2017 von Musk zurückgekauft, sie befand sich bis dahin im Besitz von PayPal. Musk erklärte damals, die Domain habe für ihn großen sentimentalen Wert – doch es scheint, als habe er weitere Pläne.
Plant Musk ein "West-Wechat"?
Die Agentur "Bloomberg" hat eine Theorie erarbeitet, was diese "Alles-App" einmal werden könnte. Eine Möglichkeit: Elon Musk plant eine "westliche Version" der chinesischen App "Wechat", eine Art "Mini-Internet".
Musk hatte "Wechat" in der Vergangenheit offenkundig dafür bewundert, aus einem simplen Messenger eine Art "Mini-Internet" geschaffen zu haben, das täglich von mehreren Milliarden Chinesen für Zahlungen, Unterhaltungen und soziale Interaktionen genutzt wird. Tatsächlich ist ein Leben in China ohne "Wechat" kaum noch denkbar.
Viele Anwendungen möglich
"Wechat" ist bereits nah dran an einer "App für alles", wenn man sich anschaut, was damit möglich ist, schreibt der "Stern". Neben den erwähnten Diensten wie Zahlungen und Unterhaltungen, beinhaltet die App auch einen gigantischen Business-Bereich, in dem Menschen einkaufen, Tische in Restaurants buchen oder Essen bestellen können. Möglich wird das, da "Wechat" zusätzliche Programme erlaubt und Schnittstellen bietet, um eigene Dienstleistungen an das Ökosystem zu koppeln. Außerdem ist "Wechat" für viele Chinesen ein wichtiges News-Portal.
Musks Plan sieht zudem vor, Twitter von der Börse zu nehmen, das Personal zu verkleinern und ein neues Management aufzustellen. Würde der reichste Mensch der Welt die Fäden bei der Online-Plattform ziehen, wäre dies auch politisch brisant. Spannend ist etwa, ob Twitter den verbannten, ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wieder aufnimmt.
Ist Musk ein Trump-Fan?
Musk betonte von Anfang an, dass es ihm bei der Twitter-Übernahme nicht um Geld, sondern um die Stärkung der Redefreiheit auf der Plattform gehe. Trumps Sperrung auf Twitter im Zuge von dessen Sympathie-Bekundungen für Anhänger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt hatten, bezeichnete Musk bei einem Interview im Mai bereits als "moralisch falsch und einfach nur dumm". Eine Rückkehr auf den reichweitenstarken Nachrichten-Dienst könnte für Trump mit Blick auf eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 gerade rechtzeitig kommen.
Eine Übernahme von Twitter durch Musk wurde von mehreren einflussreichen Firmen-Lenkern und Bankern gepusht. Wie der "Business Insider" berichtete, der wie die "Bild"-Zeitung zum Axel-Springer-Verlag gehört, sorgte auch Springer-CEO Mathias Döpfner für eine gewisse Beeinflussung. Döpfner bot Musk im Frühjahr an, Twitter zu managen und zu einer "wahren Plattform für freie Meinungsäußerung zu errichten". Musk habe die Idee im Frühjahr "interessant" gefunden, schreibt das "Manager-Magazin".
Weitere Manager ermuntern Musk
Der Austausch mit Döpfner gibt natürlich nur einen Bruchteil davon wieder, wie die Menschen aus Musks Umfeld versuchten, von dem Twitter-Deal zu profitieren. Dem "BI"-Bericht zufolge unterstützte beispielsweise auch Oracle-Chef Larry Ellison den Milliardär von Anfang an in seinen Bemühungen, Twitter zu kaufen.
Salesforce-Gründer Marc Benioff schlug Musk gar ein neues Betriebssystem für Twitter vor, schreibt das "Manager-Magazin". Und auch der ehemalige Twitter-Chef Jack Dorsey unterstützte sein Vorhaben: "Eine neue Plattform ist notwendig". Laut Musk war Dorsey auch davon überzeugt, Twitter von der Börse zu nehmen.
Fazit
Das Hick-Hack um den Twitter-Konzern hat wohl so manchen Aktionär vertrieben. Auch die Glaubwürdigkeit bzw. Reputation von Elon Musk hat gelitten. Was aus dem Kurznachrichten-Dienst wird, steht noch in den Sternen. Die Ideen mit einer "Alles-App", die unter anderem freie Meinungsäußerungen erlauben und im Digital-Universum zu einem politischen Beeinflussungs-Vehikel werden könnte, macht jedoch nachdenklich.
Wer noch in der Twitter-Aktie engagiert ist, kann sich freuen und sollte die US-Aktie nun verkaufen. Das von BÖRSE ONLINE ausgegebene Kursziel von 72 Euro wird nicht mehr erreicht, wenn die Musk-Übernahme wie vorgesehen über die Bühne geht.