Die Grillsaison läuft, Spaziergängern strömt wieder der typische Geruch von Grillkohle in die Nase. Ob auf dem Rost Fleisch, Fisch oder pflanzliche Alternativen brutzeln, lässt sich mit dem Riechorgan kaum ermitteln. Fest steht, dass der Grill ein Schauplatz für den Wandel der Lebensmittelindustrie ist. Immer häufiger verzichten die Konsumenten auf Fleisch. Sie greifen zu veganen Ersatzprodukten oder legen Gemüse auf den Rost. Der Sinneswandel steht in einem direkten Zusammenhang mit dem wachsenden Bewusstsein für Ökologie und Gesundheit.
Zwei globale Trends
Die Corona-Pandemie beschleunigt den Umbruch in diesem Sektor. Während des Lockdowns hat das Meinungsforschungsinstitut Nielsen weltweit das Nachfrageverhalten in Bezug auf abgepackte Lebensmittel analysiert. Dabei zeigte sich, dass Produkte besonders gefragt waren, die die Gesundheit im Allgemeinen und das Immunsystem im Speziellen stärken. Außerdem gaben die Konsumenten natürlichen Lebensmitteln den Vorzug und achteten auf deren Qualität. "Dieser Anspruch war in allen Märkten konstant hoch", stellt der Marktforscher fest.
Mit der "Online Food Delivery" hat die Krise einen weiteren Trend (siehe "Auf einen Blick") angeschoben. Nachdem Restaurants schließen mussten, schossen die Essensbestellungen via Internet nach oben. Auch wenn die Gastronomie mittlerweile vielerorts wieder Gäste bedient: Sicherheitsauflagen könnten zusammen mit der Ansteckungsangst sowie der Macht der Gewohnheit dafür sorgen, dass viele Haushalte am Motto "Stay at Home" festhalten.
Dazu passend hat Nielsen in Fernost eine Umfrage mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie durchgeführt. "In ganz Asien signalisieren die Konsumenten, dass sich ihre Essgewohnheiten dauerhaft verändern werden", berichtet das Unternehmen. So wollen etwa 86 Prozent der Befragten in China ihre Mahlzeiten primär zu Hause einnehmen.
Geht es nach Kepler Cheuvreux, dann ist Danone ein Gewinner des Stay-at-Home-Konsums. Das Researchhaus attestiert dem Molkereikonzern eine besonders gesunde Produktpalette mitsamt einer einzigartigen Position im pflanzenbasierten Segment. Nach der Integration der US-Übernahme Whitewave will Danone das Geschäft mit Milch und Joghurt auf Soja-, Mandel- oder Reisbasis forcieren. Bis 2025 sollen die Umsätze in diesem Segment von zuletzt 1,9 Milliarden auf fünf Milliarden Euro zulegen. Im Corona-Ausverkauf ist die Danone-Aktie durch den Stoppkurs gefallen. Da wir die Einschätzung von Kepler Cheuvreux teilen und das Börsenschwergewicht günstig bewertet ist, raten wir zum Wiedereinstieg.
Marktmacht, Substanz und Anpassungsfähigkeit sprechen für Nestlé - obwohl diese Aktie in Deutschland derzeit nur außerbörslich handelbar ist. Die durch den Lockdown ausgelösten Hamsterkäufe sorgten dafür, dass der weltgrößte Lebensmittelkonzern im ersten Quartal mit 4,3 Prozent das stärkste organische Umsatzplus seit knapp fünf Jahren verbucht hat. Damit gibt sich Unternehmenschef Mark Schneider nicht zufrieden. Vielmehr richtet er das mit Marken wie Maggi, Nescafé oder Buitoni bestückte Portfolio konsequent auf zukunftsträchtige Bereiche aus. Unter anderem drängen die Schweizer in den Wachstumsmarkt für veganen Fleischersatz. Gesundheitsbewussten Grillfans macht Nestlé mit sojabasierten Würstchen und Burgern den Mund wässrig.
Im Fleischregal treffen die Eidgenossen auf Beyond Meat. Das kalifornische Unternehmen stellt mit einer auf Erbsenproteinen und Rote Bete basierenden Rezeptur Patties und Würstchen her. Das Wachstum ist enorm: Die Umsätze legten im ersten Quartal um 141 Prozent zu. Dabei profitierte das Unternehmen von seiner rasanten Expansion. Zuletzt gelang der Markteintritt in China - dort verkauft Starbucks die Fleischalternativen der Kalifornier. An der Börse ist Beyond Meat dabei, einen Abwärtstrend zu überwinden. Zwar sprechen das hohe Momentum und der Status als "First Mover" für die Aktie. Doch sollten wegen der üppigen Bewertung nur risikofreudige Anleger einsteigen.
Indes stürmte Hellofresh in den vergangenen Wochen von einem Allzeithoch zum nächsten. Die Pandemie bescherte dem Kochboxen-Lieferanten eine beachtliche Sonderkonjunktur. Zuletzt haben die Berliner die Umsatzprognose für 2020 auf ein Wachstum von 40 bis 55 Prozent in etwa verdoppelt. Operativ hält der Vorstand eine zweistellige Rendite für möglich. Hellofresh trifft mit frischen Produkten und modernen Rezepten den Zeitgeist. Gleichwohl sollte die Aktie die Rally, bei der unser Kursziel erreicht wurde, erst einmal "verdauen".
"Lieferheld" macht weiter Tempo
Obwohl Delivery Hero das jüngste Tempo kaum wird halten können, stufen wir den Lieferdienst weiterhin mit "Kaufen" ein. Wachstum geht bei den Berlinern vor Profitabilität. "Wir werden die Gewinnschwelle knacken, wenn wir groß genug sind", sagt Vorstandschef Niklas Östberg. Neben dem eigenen Netzwerk baut er das Geschäft mit ultraschnellen Lieferungen aus. Lebensmittel und Medikamente sollen in weniger als 20 Minuten beim Kunden ankommen. Auf dem Weg in Richtung Break-even wird Delivery Hero die laufende Übernahme des koreanischen Konkurrenten Woowa helfen. Im zweiten Halbjahr will Östberg den Deal in trockene Tücher bringen.