Börse Online: Welchen Beitrag zur Aufklärung des Wirecard-Skandals könnte ein Untersuchungsausschuss leisten?
Florian Toncar: Der Wirecard-Skandal kennt viele Akteure, der Aufklärungsbedarf ist hoch. Ein Untersuchungsausschuss kann im Gegensatz zu einem Fachausschuss beispielsweise Zeugen vernehmen, wie ein Gericht. Diese Zeugen müssen bei ihren Antworten auch einer besonderen Wahrheitspflicht genügen. Der Ausschuss bekommt zudem vollständige Akteneinsicht.
Und welche zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Informationen könnte ein solcher Untersuchungsausschuss im Fall Wirecard zutage fördern?
Wirecard galt als digitales Vorzeigeunternehmen Deutschlands und wurde als solches nicht nur politisch unterstützt, sondern wir haben den Verdacht, dass es auch in der Aufsicht besonders geschont oder zu wohlwollend geprüft worden ist. Dieser Verdacht ließe sich durch genaue Sichtung von Akten der Finanzaufsicht Bafin erhärten.
Haben Sie Anhaltspunkte dafür?
Ja, wir haben klare Indizien. So richteten sich die Ermittlungen der Bafin wegen Kursmanipulation sehr lange ausschließlich gegen Journalisten der "Financial Times". Wir sehen das als Zeichen, dass dahinter auch eine politische Absicht steht, einen nationalen digitalen Champion nicht anzugreifen - mit dem Risiko, dass kriminelle Vorgänge nicht entdeckt werden.
Die EY-Wirtschaftsprüfer haben jahrelang die Bilanzen testiert. Müsste der Hauptvorwurf nicht EY treffen statt der Aufsicht?
Nein, das sehe ich genau umgekehrt. Die Bafin ist eine Polizeibehörde, sie bekommt die Insider-Hinweise und kann diese auswerten. Das können Wirtschaftsprüfer nicht. Und die Bafin darf auch mit staatlichen Zwangsmitteln arbeiten - Razzien, Computer beschlagnahmen und so weiter. Deswegen sehe ich schon einen Unterschied in der Verantwortung. Es gab ernst zu nehmende Vorwürfe, unter anderem in der "Financial Times". Doch die Bafin hat diese nicht geprüft, sondern gegen Journalisten ermittelt.