An den Märkten werden für Frühjahr 2024 die ersten Zinssenkungen eingepreist. Bis vor Kurzem schien klar, welche Notenbank als erste handelt.
Am kommenden Mittwoch (13.12.) findet die letzte Sitzung der US-Notenbank Fed in diesem Jahr statt. Am Donnerstag (14.12.) folgt das finale Ratstreffen der europäischen Notenbank EZB. Weitere Zinsanhebungen gelten angesichts der stark rückläufigen Inflationsraten diesseits und jenseits des Atlantiks als sehr unwahrscheinlich. Die meisten Experten gehen davon aus, dass sowohl Fed wie EZB die Schlüsselsätze erneut konstant lassen und die Lage an der Inflationsfront weiter beobachten. Vor allem in Europa war die Inflationsrate im November mit 2,4 Prozent noch einmal stark zurückgegangen. Viele Experten gehen davon aus, dass die Teuerungsrate im kommenden Jahr mit dem Wegfall von Basiseffekten, aber auch den teilweise deutlich steigenden Löhnen noch einmal zunimmt.
Dennoch werden derzeit an den Aktienmärkten bereits die ersten Zinssenkungen im kommenden Frühjahr eingepreist, was auch den DAX in den vergangenen Tagen zum neuen Allzeithoch getrieben hat. Bis in den Herbst hinein war die US-Inflationsrate deutlich stärker zurückgegangen als ihr Pendant in Europa. Und weil die US-Notenbank Fed auch früher in den Zinserhöhungszyklus eingestiegen ist, schien klar, dass sie auch als erstes wieder aussteigen wird. Die meisten Experten rechnen deshalb mit ersten Zinssenkungen der Amerikaner im Frühjahr 2024.
Macht die EZB den gleichen Fehler zweimal?
Doch der starke Rückgang der europäischen Inflationsrate machte offenbar auch diesseits des Atlantiks die Händler mutiger, auf eine frühere Kehrtwende der EZB zu spekulieren. Schließlich scheinen die 2,4 Prozent Teuerung nur noch unwesentlich über den 2,0 Prozent zu liegen, die die EZB als Zielmarke anvisiert. Die Spekulation basiert nach Einschätzung des Devisenexperten Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank auf der etwas wackeligen These, die EZB sei zwar langsam, wenn es darum geht, Zinsen zu erhöhen, aber schnell, wenn es ans Zinsensenken geht. Denn umgekehrt gibt es inzwischen auch viele Stimmen, die genau vor dem Gegenteil warnen: Die EZB könnte beim Senken genau den gleichen Fehler machen wie beim Anheben der Zinsen, nämlich zu spät dran zu sein.
An dieser Stelle kommt aber noch ein zweites Argument für raschere Zinssenkungen der EZB ins Spiel. Denn die europäischen Währungshüter stehen angesichts der konjunkturellen Risiken in Europa unter viel größerem Druck wie die Fed, die Zinsen rasch zu senken. In den USA zeigt sich die Wirtschaft dagegen schon wieder sehr robust. Die Fed könnte sich mit den Senkungen mehr Zeit lassen und stattdessen gründlicher und länger die Inflationsrisiken mit höheren Zinsen bekämpfen.
Könnte also die EZB am Ende doch noch die Nase vorn haben im Wettlauf der Notenbanken? Commerzbank-Experte Leuchtmann bleibt skeptisch, vor allem wegen der Inflationsentwicklung. Sein Fazit: „Die EZB wird im kommenden Jahr weit weniger Spielraum für Zinssenkungen haben, als der Markt jetzt einpreist.“