Der dänische Ökonom Henrik Zeberg warnt: Die Märkte steuern auf einen historischen Kollaps zu. Sein Modell sendet „Titanic“-Signale – doch noch läuft die Party.

Es ist der größtmögliche Widerspruch zur aktuellen Marktlage: Die Weltbörsen befinden sich auf Allzeithochs, die Wall Street sieht die Zollkrise abgehakt, nennt immer höhere Jahresendkursziele – doch ein Analyst hält dagegen. Henrik Zeberg von Swissblock ist kein Unbekannter für markige Prognosen – und auch nicht für das Durchbrechen des Konsens.  

Als viele Marktexperten Ende 2021 eine bevorstehende Rezession prognostizierten, widersprach Zeberg und erklärte stattdessen auf dem Tiefpunkt des zyklischen Bärenmarktes im Herbst 2022, dass sich in den kommenden Jahren ein regelrechtes "Blowoff-Top" mit weitaus höheren Notierungen entwickeln würde. Durch den darauffolgenden Boom an den Aktienmärkten in den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde Zeberg  bestätigt.

Märkte laufen auf Eisblock zu 

Jetzt, im Sommer 2025, meldet sich der dänische Ökonom auf Substack mit einer lesenswerten, 46.000 Zeichen langen Analyse und einer eindringlichen Botschaft zurück: Die Titanic habe das Eisbergfeld längst durchquert, das Leck ist da – und der große Untergang der Märkte stehe unmittelbar bevor.

Während die US-Notenbank weiter auf niedrige Arbeitslosenzahlen und robuste Beschäftigungsdaten blickt, ignoriert sie laut Zeberg ein zentrales Warnsignal: das Verbrauchervertrauen. Dieses ist trotz geringer Arbeitslosigkeit auf ein Dekadentief gefallen – ein beispielloser Befund. Die Realwirtschaft, so Zeberg, steht auf wackeligem Fundament. Verschuldung, Preissteigerungen und ein Rückgang der realen Kaufkraft belasten das Rückgrat der US-Ökonomie: den Konsum.

Die Parallelen zur Immobilienblase vor 2008 seien entsprechend frappierend. Die Stimmung unter US-Bauträgern ist eingebrochen – der NAHB-Index liegt auf dem drittniedrigsten Niveau seit 2012. Zeberg verweist darauf, dass genau diese Indikatoren bereits 2006 signalisierten, dass eine schleichende ökonomische Erosion begonnen hatte. Heute droht dieselbe Entwicklung, auch wenn diesmal nicht Subprime-Kredite im Zentrum stehen, sondern die durch hohe Zinsen ausgelöste Erschöpfung auf Käuferseite.

Bewertungsblasen: Noch größer als 1929 und 2000

Weiterer zentraler Punkt: Der Arbeitsmarkt suggeriert Stabilität – doch unter der Oberfläche steigen die fortlaufenden Arbeitslosenanträge deutlich an. Der berühmte „Lagging Indicator“ Arbeitslosenquote wird laut Zeberg bald hinterherziehen. Erste Entlassungen im Tech- und Finanzsektor, eine sinkende Zahl offener Stellen und rückläufige Löhne zeichnen ein klares Bild: Die Korrektur ist im Gange, nur nicht auf den Titelseiten.

Zebergs These von der „Everything Bubble“ ist keine Übertreibung: Bewertungskennzahlen wie das Verhältnis Marktkapitalisierung zu BIP (aktuell ~208  Prozent) oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV ~30) deuten auf eine exzessive Überhitzung hin. Selbst Warren Buffetts berühmter Indikator (MC/GDP) schlägt Alarm – weshalb Berkshire Hathaway Milliarden an Aktien abgestoßen und die Cash-Quote auf Rekordniveau gehoben hat. Zeberg sieht darin einen historischen Warnruf der „Smart Money“-Fraktion.

Krypto als Subprime der 2020er-Jahre

Besonderes Augenmerk legt Zeberg auf den Krypto-Sektor – insbesondere auf Bitcoin und Meme-Coins. Er sieht in der Krypto-Manie der vergangenen Jahre eine Parallele zur Subprime-Blase: hohe Bewertungen ohne Substanz, getrieben von der Gier der letzten Käufer. 

Institutionelle Investoren wie MicroStrategy hätten durch massive BTC-Käufe Risiken aufgebaut, die im Fall eines Bitcoin-Crashs zum systemischen Problem werden könnten. In seinen Worten: „Bitcoin ist ein nichtlinearer Risikofaktor – unterschätzt, aber potenziell explosiv.“

Technische Warnzeichen: Divergenzen vor dem Bruch

Auch technisch sei die Lage klar: Negative Divergenzen bei RSI und MACD auf Monatsbasis – wie zuletzt 2007 – deuten laut Zeberg auf ein baldiges Top hin. Der S&P 500 könne in einer finalen Welle in den kommenden Monaten – und damit liegt Zeberg auf einer Linie mit etwa Star-Analyst Tom Lee – noch auf 6800–7000 Punkte steigen, Bitcoin vielleicht auf 150.000 Dollar – doch dann sei Schluss. Der Markt sei „überdehnt, überhitzt und gefährlich euphorisch“.

Zebergs Blick reicht unterdessen über die Krise hinaus. Er erwartet nach dem Einbruch einen deflationären Schock – mit massivem Stimulus als Antwort. Doch anders als 2009 könnte dieser Stimulus in einem inflationär geprägten Umfeld verpuffen – mit dem Ergebnis einer stagflationären Ära. Ein Szenario, das die politischen Entscheidungsträger in ein Dilemma zwingt: Inflation bekämpfen oder Rezession mildern?

Niemand läutet die Glocke am Top 

Für Anleger ist Henrik Zeberg Analyse, die er mit "The Emperor’s New Clothes and the Coming Economic Crash" betitelt hat, ein willkommener Gedankenanstoß in einem Umfeld zunehmender Euphorie.  Zeberg spielt dabei die Rolle des Kindes aus  Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Er ruft laut, dass der Kaiser nackt ist – während alle anderen noch applaudieren. 

Die Märkte, so sein eindringliches Fazit, sind längst entkoppelt von der Realität. Die Bewertungen sind überzogen, die Risiken massiv, und die Reaktion der Notenbanken verzögert. Wer sich der Risiken nicht bewusst sei, könnte später im Gedränge vor dem Ausgang stehen. Oder wie Zeberg es formuliert: „Niemand läutet die Glocke am Top – aber ich versuche es trotzdem.“ 

Lesen Sie dazu auch: Der FOMO-Faktor: Warum Star-Analyst Tom Lee jetzt eine große Aktien-Rallye erwartet

Infront S&P 500 (WKN: A0AET0)