David Dudding hat im Lauf seiner Karriere zahlreiche Unternehmenschefs getroffen. Die Firmenlenker malen die Gewinnaussichten meist in leuchtenden Farben. "Das müssen sie auch, sonst wären sie nicht gut", sagt Dudding. Der Fondsmanager des Jahres 2020 verfügt über genügend Erfahrung, um Chancen und Risiken realistisch einzuschätzen. Selbst der Corona-Crash vermag den Briten nicht aus der Fassung zu bringen. Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Märkte seien nicht das Schlimmste, was er an der Börse erlebt habe, erzählt er im Interview.
€uro am Sonntag: Herr Dudding, wie gefährlich ist das Coronavirus für die globale Wirtschaft?
David Dudding:
Wie reagieren Sie als Fondsmanager auf die Marktkorrektur?
Wir nehmen nur geringfügige Änderungen vor und halten an unseren Investments fest. Der Fonds hat zwar seit dem Ausbruch der Krankheit verloren, aber wir haben besser abgeschnitten als der breite Markt. Wir favorisieren Unternehmen, die gering verschuldet sind und die wir mittel- und langfristig als aussichtsreich einschätzen. Der Kreditkartenanbieter Mastercard ist dafür ein gutes Beispiel.
Nun zu Ihnen: Sie haben Politische Wissenschaften studiert. Eine Karriere als Abgeordneter im britischen Parlament oder gar als Minister haben Sie aber nie angestrebt?
Nein. Ich eigne mich nicht zum Politiker, denn dafür bin ich vermutlich zu zurückhaltend. Als Fondsmanager stehe ich weit weniger in der Öffentlichkeit.
Der Einfluss der Politik auf die Märkte ist im Vergleich zu früheren Jahren gestiegen. Profitieren Sie da nicht von Ihrem Studium?
Als Investor kann man die Politik nicht mehr ignorieren. Dennoch ist es schwer, politische Entwicklungen und die Reaktion der Marktteilnehmer vorherzusagen.
Trotz Ihrer Expertise sind Fehleinschätzungen unvermeidlich?
Mitunter ja. Beispielsweise war unser Basisszenario bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen, dass die Demokraten gewinnen würden. Und im Szenario, dass Trump es doch schaffen sollte, hatten wir im Portfolio einen Fokus auf eher defensive Werte gelegt.
Stattdessen haben sich Technologieaktien stark entwickelt?
Richtig. Das sind meiner Meinung nach auch die Gewinner von morgen, egal wer in den USA Ende dieses Jahres zum US-Präsidenten gewählt wird.
Hatten Sie den Brexit erwartet?
Er war nicht unser Basisszenario. Doch nun ist Großbritannien aus der EU ausgeschieden. Das ist schade und droht die Wirtschaft sowohl in UK als auch in der EU nachhaltig zu belasten.
Ihre Trefferquote bei der Einschätzung von Chancen und Risiken eines Unternehmens ist aber hoch. Die Redaktionen des Finanzen Verlags haben Sie zum Fondsmanager des Jahres 2020 gewählt.
Über diese Auszeichnung freue ich mich sehr. Das ist der Preis, den jeder Fondsmanager haben will. Doch ich habe auch etwas Glück gehabt, denn die Märkte sind in den vergangenen Jahren gestiegen, unser Anlagestil Quality Growth hat sehr oft gut funktioniert. Und ich werde bei der Suche nach Unternehmen, die Marktanteile relativ unabhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung gewinnen können, von einem starken Team unterstützt.
Bleiben Sie beziehungsweise Ihr Anlagestil erfolgreich?
Ich hoffe es, und darauf arbeiten wir hin. Doch was in der Vergangenheit funktioniert hat, funktioniert nicht automatisch auch in den kommenden zehn Jahren. Nicht auszuschließen, dass Value ein Comeback erlebt und Quality Growth zurückbleibt.
Sind Sie flexibel genug, Ihren Anlagestil zu ändern?
Es erfordert einiges an Anstrengung, lang eingeübte und bewährte Verhaltensmuster zu ändern. Das ist auch beim Investieren so. Es ist mir aber immer wieder gelungen - auch wenn ich eigentlich ein sehr konservativer Investor bin und dazu neige, an dem festzuhalten, was sich bewährt hat.
Wie können Anleger psychologisch bedingte Anlagefallen vermeiden?
Am besten ist es, seine Investments permanent kritisch zu hinterfragen. Warum habe ich die Aktie gekauft? Macht es weiterhin Sinn, sie zu halten? Das kann vor negativen Überraschungen schützen.
Investieren Sie frei von jeglichen Emotionen?
Dann wäre ich ja ein computergestütztes Anlagemodell und kein aktiver Fondsmanager, der höhere Renditen erzielt als der breite Markt. Im Lauf der Jahre lernt man Unternehmen gut kennen, es entstehen persönliche Beziehungen zu den Firmenlenkern. Das ermöglicht Informationsvorsprünge und kann es schwer machen, sich von einer Aktie zu trennen - auch wenn die Rationalität sich am Ende durchsetzt.
Sie sind nun schon seit 20 Jahren Fondsmanager. Was hat Sie bewogen, in der Investmentbranche tätig zu werden?
Das ist schnell erzählt. Nach dem Studium habe ich zunächst für ein Unternehmen in Hongkong und anschließend als Finanzjournalist gearbeitet. Dann erhielt ich ein Jobangebot von der Investmentgesellschaft Threadneedle. Das habe ich gern angenommen und bin heute immer noch dabei.
Die langjährige Treue zum Unternehmen ist in der Finanzbrache eher die Ausnahme?
Womöglich. Ich sehe in der Kontinuität keinen Nachteil. Im Gegenteil: Ein vertrautes Umfeld sowie ein gut eingespieltes Team können sich positiv auf die Anlageergebnisse auswirken.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job?
Mich interessieren Unternehmen, wie sie sich entwickeln, wie sie groß werden. Das ist sehr spannend zu verfolgen. Ich komme zudem immer wieder mit interessanten Persönlichkeiten zusammen, die kluge Ideen haben und diese umsetzen. Es ist auch immer wieder faszinierend zu sehen, wie sehr der Erfolg eines Unternehmens von den Führungsqualitäten eines Managers abhängt. Das ist wie im Fußball. Jürgen Klopp, der Manager von Liverpool, macht einen ausgezeichneten Job.
Ist es schwer, sich in immer neue Geschäftsmodelle einzuarbeiten?
Gerade das ist die spannende Aufgabe, die mir so viel Spaß macht. Vielleicht werde ich nicht bei jedem Techunternehmen immer alles bis ins letzte Detail verstehen. Ich will aber in der Lage sein, die Entscheidungen der Manager nachzuvollziehen. Nur dann kann ich beurteilen, ob die Aktie des Unternehmens weiterhin aussichtsreich ist.
Stimmt der Satz: An den Märkten wird die Zukunft gehandelt?
In den vergangenen Jahren nahm die Börse die wachsende ökonomische Bedeutung der Schwellenländer voraus. Nun wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Das ist eine gute Sache. Mich haben nicht zuletzt die Brände in Australien sehr besorgt. Die Märkte beziehungsweise die Investoren können dazu beitragen, politische Vorgaben wie eben das Klimaziel zu erreichen - auch wenn nicht alle Investoren immer die gleichen Ansichten über die Zukunft haben.
Sie suchen immer wieder das Gespräch mit den Firmenlenkern. Werden Sie manchmal belogen?
Die Manager stellen ihre Gewinnaussichten nicht selten besonders optimistisch dar. Das ist aber alles im Rahmen des Fair Play. Ein CEO, der überwiegend schwarzmalt und Bedenken äußert, ist kein guter CEO.
Gibt es Manager, die Sie besonders beeindruckt haben?
Dazu zählt sicherlich der finnische Aufzughersteller Kone und sein Manager Henrik Ehrnrooth. Auch die Manager von Grenkeleasing haben einen sehr guten Job gemacht, ebenso Bernard Arnault von LVMH.
Was gefällt Ihnen nicht an Ihrem Job?
Ich halte es schwer aus, wenn der Fonds verliert beziehungsweise schlechter als der Vergleichsindex abschneidet. Denn ich fühle mich den Anlegern verpflichtet.
Was stört Sie noch?
Wenn Anleger wegen kurzfristiger Marktbewegungen Geld abziehen und ich Aktien verkaufen muss, obwohl ich mir sicher bin, dass dies genau der falsche Zeitpunkt zum Ausstieg ist und man viel besser Positionen aufstocken sollte.
War die Finanzkrise das Schlimmste, was Sie bislang erlebt haben?
Nein. Das Platzen der Internetblase fand ich dramatischer. Kurz zuvor hatte ich die Verantwortung für den Threadneedle (Lux) European Smaller Companies übernommen. In dieser Zeit habe ich viel gelernt: Sei gierig, wenn alle anderen zaudern, sei vorsichtig, wenn alle euphorisch sind - es hat Mut erfordert, diese Börsenweisheit zu beherzigen, doch sie wurde belohnt. Die Aktien waren extrem billig, das war ein guter Zeitpunkt zum Kauf von Small Caps.
Kann sich eine globale Finanzkrise wiederholen?
Durchaus. Der Auslöser wird aber vermutlich nicht ein Crash am US-Immobilienmarkt sein. Die stark steigende Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Konsumenten birgt unterschätzte Risiken. Die Notenbanken haben den Anlegern ein falsches Verständnis von Sicherheit vermittelt. Noch sind die Zinsen niedrig, der Deflationsdruck auch. Doch die Inflation kann wieder steigen, und dann müssen die Zinsen nach oben gehen. Das kann die Börsen treffen. Sorgen machen mir auch die geopolitischen Spannungen auf der Welt. Im Vergleich zu Bondinvestoren bin ich jedoch wesentlich optimistischer. Für die ist das Glas tendenziell immer halb leer.
Sie sind seit 2013 für den Threadneedle (Lux) Global Focus Fund verantwortlich. Das Portfolio umfasst rund 40 Aktien. Ist der Fonds ausreichend diversifiziert?
Davon bin ich überzeugt. Für mich persönlich könnte ich mir sogar ein noch konzentrierteres Portfolio vorstellen. Beim Global Focus Fund bin ich jedoch unseren Anlegern verpflichtet, daher will ich Titel nicht zu hoch gewichten.
Der Stresslevel eines Fondsmanagers ist hoch?
Ja, das gebe ich offen zu. Auf Yoga und Meditation verzichte ich aber. Stattdessen entspanne ich lieber im Kreis der Familie und beim Sport - Letzteres vor allem als Zuschauer. Ich sehe mir gern Sport im Fernsehen an, insbesondere Fußball.
Sie sind Fan von Crystal Palace?
Ja. Der Club hat noch nie was gewonnen, aber das stört mich überhaupt nicht. Ich halte meinem Verein gern die Treue - ebenso wie den Aktien in meinem Portfolio, die ich als langfristige Investments betrachte.
Fondsmanager des Jahres:
David Dudding hält Columbia Threadneedle die Treue. Seit 20 Jahren managt der 49-jährige Brite für die Investmentgesellschaft Aktienfonds. Mit dem Threadneedle European Companies, aber auch mit dem Threadneedle European Select und dem Threadneedle Global Focus erzielte er konstant hohe Renditen. Die Redakteure von €uro am Sonntag, €uro und Börse Online wählten ihn zum Fondsmanager des Jahres 2020. "Das ist der Preis, den jeder haben will", freut sich Dudding und verspricht: "Wir strengen uns weiter an, wir wollen auch künftig erfolgreich sein."