Elfmeterkrimi im Viertelfinale der Fußball-EM, Deutschland gegen Italien. Neuer pariert den Schuss des Italieners Darmian. Nationalkicker Hector verwandelt und beendet endlich Deutschlands lange Niederlagenserie gegen die Azzuri. Sekunden sind in solchen Phasen purer Nervenkitzel. Ärgerlich nur, wenn der Nachbar stets früher jubelt, weil er das Spiel früher empfängt. Etwa deshalb, weil er den schnellen TV-Standard DVB-T2 benutzt - hier erreichen Live-Übertragungen ihre Empfänger vier bis acht Sekunden früher als über Kabel oder das Web. Zudem kann TV in bester HD-Auflösung auf bis zu 40 Kanälen gesendet werden.

Für den Empfang des superschnellen Antennen-TV ist nur eine kleine, zusätzliche Box notwendig. Verlockend - nicht nur für Fussball-Begeisterte, sondern auch für den Hamburger Telekom- und Webdienstleister Freenet. Für 295 Millionen Euro kaufte Chef Christoph Vilanek im März deshalb die Media Broadcast Gruppe, den Primus des DVB-T-Standards in Deutschland. DVB-T - das Kürzel steht für Digital Video Broadcasting Terestrial - in weniger guter Qualität senden die Kölner nach eigenen Angaben an vier Millionen Haushalte. Das sind etwa zehn Prozent der TV-Anschlüsse in Deutschland.

Eine gute Basis für Freenet um beim hochauflösenden Antennen-TV der nächsten Generation durchzustarten. Als erste gingen die öffentlich-rechtlichen Sender kostenlos auf Sendung. Seit April sind auch RTL, ProSieben, Sat.1 und Vox dabei. Freenet vermarktet das TV-Angebot der Privaten auf DVB-T2, passend als Freenet.TV. Am 29. März 2017 will der Telekomdienstleister zusammen mit 20 öffentlich-rechtlichen Programmen auch viele Sparten-Sender der Privaten anbieten. Ab Juli 2017 soll Freenet-TV dann 69 Euro pro Jahr kosten. Die Umrüstung auf DVB-T2 ist gerade angelaufen. Bei Freenet und im Handel gibt es das entsprechende Zubehör.

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Warum das TV-Geschäft so verlockend ist



Chef Vilanek sieht darin die Chance, das Geschäftsmodell auch im TV-Markt zu etablieren. Während Kabel-TV-Anbieter wie die Telekom oder Vodafone mit Kabel Deutschland in ihre Netze investieren müssen, kann sich Freenet als Dienstleister für Handyminuten und Datenvolumen ohne eigenes Netz das sparen und will so im TV-Geschäft operative Margen von 50 Prozent erreichen. Nach zwei Jahren mit hohen Ausgaben für die Kundenakquise und Verlusten stellt Finanzchef Joachim Preisig deshalb "erhebliche Ergebnisbeiträge aus dem TV-Geschäft" in Aussicht.

Zunächst sollen die vier Millionen Kunden von Media Broadcast geworben werden. Den Ein- und Umstieg in das Antennen-TV in HD erleichtern soll der bis Juli 2017 kostenlose TV-Empfang sowie Empfangsboxen, die nicht mehr als hundert Euro kosten sollen. Überdies ist die später fällige Abo-Gebühr von 5,75 Euro monatlich oder 69 Euro pro Jahr für Freenet.TV wesentlich günstiger als Angebote etwa via Kabel. Dass der alte DVB-T-Standard 2019 abgeschaltet wird, sollte zusätzlichen Schub ins Geschäft mit dem hochauflösenden Antennen-TV bringen.

Über eine Beteiligung am Münchner Video- und Entertainmentdienst Exaring will Freenet das TV-Angebot als App auch auf Handys und Tablets bringen. Man habe die Schwächen der verfügbaren Technologien analysiert, sagt Chef Vilanek. So funktioniere etwa die Technik Sky Go des Bezahlsenders Sky bei Live-Sendungen ab mehr als 100000 simultanen Nutzern nicht mehr zufriedenstellend. Freenet verspricht alles einfacher und besser zu machen.

Im Stammgeschäft Mobilfunk läuft es. Durch den Einstieg beim Schweizer Netzbetreiber Sunrise, die Hamburger halten 23,8 Prozent, dürfte der operative Gewinn 2016 über zehn Prozent zulegen. Mittelfristig ist auch ein höherer Beitrag aus der Schweiz möglich. Im Aufsichtsrat der Eidgenossen könnte Freenet darauf drängen, das Geschäftsmodell dem des TecDax-Konzerns anzupassen und das eigene Mobilfunknetz zu verkaufen. Der Schweizer Primus Swisscom liegt mit rund doppelt so vielen Kunden ohnehin uneinholbar vorn. Mit dem Erlös könnte Freenet den Preis für die Beteiligung refinanzieren und weiter Cashzuflüsse aus den Sunrise-Kundenverträgen verbuchen.

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Einschätzung der Redaktion



Deutschlands größter Telekom-Dienstleister ohne eigenes Netz wird am 11. August die Bilanz für das erste Halbjahr vorlegen. Die Ausweitung des Geschäftsmodells auf den TV-Markt soll die Anzahl der Kunden bis 2020 um mehr als ein Viertel auf knapp zwölf Millionen erhöhen. Zudem stellt Freenet hohe Margen in Aussicht. Ohne die Kosten für eigene Netze sind hohe Ausschüttungen an Aktionäre möglich. Nachhaltige und hohe Dividendenrendite. Damit bleibt die Aktie kaufenswert

Ziel: 30,00

Stopp: 19,80