Der Manager steht seit Monaten wegen des Vorwurfs unter Druck, er habe Aktien seines Unternehmens erworben, um von Kursgewinnen zu profitieren - als er bereits plante, die Londoner Börse LSE zu übernehmen. Dieses Vorhaben war später gescheitert.
Am Montag war ein 500.000 Euro schwerer Deal Kengeters mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Widerstand des zuständigen Amtsgerichts gescheitert. Aufsichtsratschef Joachim Faber habe deshalb extra eine China-Reise abgebrochen und sei vorzeitig nach Deutschland zurückgekehrt, sagte der Insider. "Faber ist zurück und am Donnerstag wird man darüber sprechen, wie es jetzt weitergeht", sagte die Person, die nicht namentlich genannt werden wollte. Ob Kengeter in der Aufsichtsratssitzung gehört werde, sei unklar.
Ein Unternehmenssprecher sagte Reuters, Faber wolle den Aufsichtsrat über die Ablehnung des Deals durch das Gericht und dessen Begründung informieren. Über das Treffen des Gremiums hatte zuerst die "Wirtschaftswoche" berichtet. Aufsichtsratschef Faber hat sich in der Angelegenheit bislang hinter Kengeter gestellt, allerdings stieg nach Angaben von Insidern deshalb zuletzt auch der Druck auf ihn. Er hatte das umstrittene Aktienoptionsprogramm für Kengeter auf den Weg gebracht.
Die Hängepartie verunsichert die Anleger: Mit einem Minus von mehr als zwei Prozent war die Börse-Aktie am Dienstagnachmittag mit Abstand größter Verlierer im Dax.
GEPLATZTE TRÄUME
Die Deutsche Börse hatte am Montagabend mitgeteilt, das der Deal Kengeters mit der Justiz nicht zustande komme und dem Gericht angesichts der hohen Bedeutung und des öffentlichen Interesses eine Fortführung der Ermittlungen opportun erscheine. Mit dem Gerichtsbeschluss war der Druck auf Kengeter nochmals gestiegen, denn je länger die Ermittlungen der Justiz dauern, desto unwahrscheinlicher wird eine Verlängerung seines Ende März 2018 auslaufenden Vertrages. "Daran ist gegenwärtig überhaupt nicht zu denken", sagte der Insider.
Doch selbst wenn der Deal geklappt hätte, wäre Kengeter noch nicht vom Haken gewesen. Denn die Finanzaufsicht BaFin und die hessische Börsenaufsicht in Wiesbaden wollen anschließend ihrerseits die Zuverlässigkeit Kengeters in zwei getrennten Verfahren prüfen. Insidern zufolge gibt es in beiden Behörden wegen der Affäre Zweifel an Kengeters Eignung für den Job.
ALLES WIEDER OFFEN
Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Reuters sagte, könnten die weitergehenden Ermittlungen zu einer Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts führen, aber genauso gut in einer Anklageerhebung münden. Dies sei derzeit völlig offen. In jedem Fall könnten sie mehrere Monate dauern. Sollte am Ende tatsächlich Anklage erhoben werden, würde sich das Verfahren weiter in die Länge ziehen.
Die Sprecherin erklärte zudem, es sei möglich, dass die Ermittlungen bis über das Ende von Kengeters laufendem Vertrag bei der Börse hinaus andauerten - also länger als bis Ende März kommenden Jahres. Kengeter, der seine Unschuld beteuert, hat sich bislang Hoffnungen auf eine Vertragsverlängerung gemacht. Ein Sprecher der Börse sagte, noch sei völlig unklar, welchen Umfang die neuen Ermittlungen annehmen würden und wie hoch dadurch die zeitliche Belastung Kengeters ausfallen werde.
DIE UHR TICKT
Kengeter wird vorgeworfen, dass er im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro Aktien des Börsenbetreibers gekauft hat - zwei Monate, bevor die Fusionspläne mit der LSE öffentlich wurden. Diese hatten den Aktienkurs massiv nach oben getrieben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zum Zeitpunkt des Aktienkaufs aber schon Gespräche mit der LSE. Der Ex-Investmentbanker Kengeter hatte die Aktien im Rahmen eines Vergütungsprogramms erworben, mit dem ihn der Aufsichtsrat an das Unternehmen binden wollte. Zuletzt war laut Insidern die Unterstützung im Aufsichtrat für Kengeter geschwunden. Als ein möglicher Ersatz für Kengeter wird schon länger der bisherige Finanzvorstand Gregor Pottmeyer gehandelt.
Wie mehrere Unternehmens- und Justiz-Insider Reuters sagten, hat sich das Amtsgericht mit seiner Entscheidung, dem Deal nicht zuzustimmen, die Argumentation der Finanzaufsicht BaFin zu eigen gemacht. Die Behörde hatte Insidern zufolge in einem Gutachten für das Gericht die Höhe der Vergleichszahlung - 500.000 Euro - als zu niedrig bewertet und zugleich das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung betont. Das Gutachten der BaFin war für das Gericht nicht bindend. Eine BaFin-Sprecherin wollte die neuesten Ereignisse nicht kommentieren.