Erleichterung im klammen Kiew: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin entsprach vergangene Woche der Bitte des ukrainischen Staatskonzerns Naftogaz nach Preisermäßigungen bei Erdgas. Gazprom, weltweit der größte Erdgasproduzent und Russlands zweitgrößter Steuerzahler, liefert den Rohstoff in den kommenden drei Monaten zum Vorzugspreis von 248 Dollar je 1000 Kubikmeter. Für Gas, das Naftogaz aus Westeuropa bezieht, muss das Unternehmen 25 bis 30 Dollar mehr bezahlen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Putin beziehungsweise die russische Regierung Einfluss auf die Preisgestaltung und die Geschäftspolitik von Gazprom nimmt. Nach der Amtsübernahme des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2010 gewährte Gazprom der Ukraine einen Rabatt von 30 Prozent. Nach dem Machtwechsel im vergangenen Jahr und der Annexion der Krim erhöhte der Konzern den Preis auf deutlich über 400 Dollar. Als Kiew daraufhin heftig protestierte und sich weigerte, Rechnungen zu bezahlen, wurde die Lieferung auf Anweisung Putins für ein halbes Jahr ganz ausgesetzt - obwohl unter dem Versorgungsstopp das Image von Gazprom als verlässlicher Geschäftspartner enorm litt. Die EU-Staaten, die rund 40 Prozent ihres Bedarfs mit russischem Erdgas decken, sehen sich nun verstärkt nach Alternativen um.

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Mittel der Machtpolitik

Gazprom kann es sich jedoch kaum erlauben, westliche Kunden zu verlieren. Der Konzern erzielt nach Angaben der Landesbank Baden-Württemberg 60 Prozent seiner Erträge durch Exporte nach Europa. Die Sanktionen des Westens sowie die niedrigen Gasnotierungen haben im vergangenen Jahr den Gewinn nach russischer Rechnungslegung um 70 Prozent auf 189 Milliarden Rubel einbrechen lassen, das sind umgerechnet rund drei Milliarden Euro. Auch das von Putin verkündete Ende der transeuropäischen Gasleitung South Stream kam Gazprom teuer zu stehen. Für etwa 925 Millionen Euro kaufte der Konzern Unternehmen wie Wintershall oder Eni Anteile am Betreiberkonsortium ab.

Die Instrumentalisierung von Gazprom als politisches Machtinstrument stellt für Investoren ein erhebliches Risiko dar. Zumal der von Putins Freund Alexej Miller geführte Konzern auch gern zur Finanzierung von staatlichen Prestigeobjekten herangezogen wird. So hat Gazprom mit über drei Milliarden Dollar die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotchi gesponsert. Wirtschaftlich sinnvoller wäre es wohl gewesen, das Geld zu investieren oder Rücklagen zu bilden.

Denn durch die Talfahrt des Rubel muss Gazprom mehr Geld für die Bedienung der Schulden ausgeben - der Konzern hat überwiegend Anleihen in Hartwährung aufgelegt. Gazproms Staatsnähe und der erschwerte Schuldendienst waren für S & P Grund genug, die Bonität des Konzerns im Februar auf "BB+" und damit auf "Junk" herabzustufen. Unter dem Downgrade litten die Anleihen deutlich. Die Kurse fielen zeitweise auf 80 Prozent des Nennwerts. Institutionelle Anleger, die sich nur in Investment-Grade-Anleihen engagieren dürfen, mussten die Bonds verkaufen.

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Junk Bond oder Triple A?

Zu einer völlig anderen Einschätzung der Finanzkennzahlen gelangt jedoch die chinesische Ratingagentur Dagong. Sie hält an der Bestnote "AAA" fest und verweist auf stabile und hohe Cashflows. Zudem habe das Land mit China weitreichende Energieabkommen geschlossen. Ab 2018 will Gazprom jährlich 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas in das Reich der Mitte liefern. Gazprom sei so weiterhin in der Lage, ,,Wohlstand zu erzeugen" und verfüge über enorme Reserven. Das Risiko eines Zahlungsausfalls sei daher nicht gegeben, heißt es in der Begründung. Dank der Einschätzung von Dagong kann sich Gazprom weiterhin an asiatischen Kapitalmärkten günstig refinanzieren. Das Urteil der US-Ratinggesellschaft S & P hält Dagong nicht für fundamental, sondern für politisch motiviert.