Auch Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets mahnte wegen des nahenden Winters zur Vorsicht. "Selbst wenn der Impfstoff schnell verfügbar wäre, würde es die aktuelle Situation nicht ändern. Das bedeutet, dass sich die Lage erst einmal verschlechtern wird, bevor sie sich verbessert." Florence Barjou, Chef-Anlegerin beim Vermögensverwalter Lyxor, riet dagegen, sich für eine Zeit nach Überwindung der Pandemie zu positionieren. "Es ist besser, jetzt zu investieren, als später einer Rally hinterherzulaufen."

Am Ölmarkt überwögen allerdings die Sorgen vor einem erneuten Nachfrage-Rückgang durch die aktuellen Pandemie-Restriktionen, sagte Analyst Koichi Murakami beim Brokerhaus Daiichi Commodities. Sollten die Neuinfektionszahlen in den kommenden Tagen weiter steigen, müsse mit weiteren Kursverlusten gerechnet werden. Die Ölsorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich am Freitag um 1,4 Prozent auf 42,90 Dollar je Barrel (159 Liter).

"SICHERE HÄFEN" GEFRAGT - PFUND IM AUFWIND


Im Gegenzug legte die "Antikrisen-Währung" Gold 0,7 Prozent auf 1888 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) zu. Der anfänglichen Impfstoff-Euphorie folge Ernüchterung, sagte Analyst Xiao Fu von der Bank of China International. "In den kommenden Monaten wird nur eine begrenzte Anzahl von Impfdosen verfügbar sein." Außerdem bestehe das Risiko, dass das Virus mutiere und neue Wirkstoffe entwickelt werden müssten.

Gefragt waren auch Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf minus 0,556 Prozent. Sie profitierten von der Aussicht auf verstärkte Käufe durch die Europäischen Zentralbank (EZB), sagte Anlagestratege Chris Bailey vom Vermögensberater Raymond James. Die jüngsten Aussagen der Währungshüter seien unmissverständlich.

Am Devisenmarkt deckten sich Anleger mit Pfund Sterling ein. Die britische Währung verteuerte sich um jeweils ein knappes halbes Prozent auf 1,3167 Dollar beziehungsweise 1,1145 Euro, nachdem Dominic Cummings, Chef-Berater von Premierminister Boris Johnson und Architekt des Brexit, seinen Abgang angekündigt hatte. "Das bedeutet, dass es eine größere Wahrscheinlichkeit für einen sanfteren EU-Ausstieg geben wird", sagte Analyst Ricardo Evangelista vom Brokerhaus ActivTrades. Bis zum Jahresende müssen sich beide Seiten auf ein Handelsabkommen einigen, sonst droht die Einführung von Zöllen.

MÖGLICHER ANTEILSVERKAUF SCHICKT DELIVERY HERO AUF TALFAHRT


Am deutschen Aktienmarkt brachen die Titel von Delivery Hero zeitweise um 14 Prozent ein und steuerten auf den größten Tagesverlust der Firmengeschichte zu. Die südkoreanische Kartellbehörde empfahl dem Essenlieferanten, die dortige Tochter Yogiyo zu verkaufen, um grünes Licht für die milliardenschwere Übernahme des Rivalen Woowa zu bekommen. Ein endgültiges Votum der Wettbewerbshüter stehe zwar noch aus, kommentierte Analyst Giles Thorne von der Investmentbank Jefferies. Diese Auflage sei aber strenger als vom Markt erwartet.

In London winkte den Papieren von Galliford mit einem Plus von fast 27 Prozent dagegen der größte Tagesgewinn seit knapp einem Jahr. Die Baufirma stellte die Rückkehr in die Gewinnzone in Aussicht und will auch wieder Dividenden zahlen. Die aktuellen Beschränkungen in Großbritannien sollten sich nicht auf das Geschäft auswirken, schrieb Analyst Joe Brent von der Investmentbank Liberum. Er rechne sogar mit einem wachsenden Auftragsbestand.

rtr