Für Aktionäre war es ein Schock: Der Leasingdienstleister Grenke ist das jüngste Ziel einer Shortseller-Attacke. Und es ist nicht irgendein Leerverkäufer, der hier mit einem umfangreichen Bericht die Aktie des MDAX-Werts auf Talfahrt schickt: Fraser Perring, der Mann, der bereits 2016 hinter dem Decknamen "Zatarra" eine kritische Studie über den inzwischen aus dem DAX ins Nichts abgestürzten Finanzdienstleister Wirecard verfasste, nimmt sich jetzt die Baden- Badener vor.
Die Analyse von Perrings Firma Viceroy Research wirft Grenke einen "Betrugsfall massiven Ausmaßes" und eine künstlich aufgeblähte Bilanz vor. Auf den Fall Wirecard spielt Perring dabei aggressiv und bewusst an. "Übernahmen von über 100 Millionen Euro, die Grenke seit 2011 getätigt hat, wurden durch nicht näher genannte verbundene Parteien realisiert, die durch Grenke-Manager und andere Insider kontrolliert wurden", so der Bericht. Mit anderen Worten: Grenke habe ähnliche Methoden praktiziert wie Wirecard. Firmengründer und Haupt- aktionär Wolfgang Grenke sei zudem teils persönlich an Auslandsgesellschaften beteiligt gewesen, bei späteren Übernahmen sei Firmengeld in seine Tasche geflossen, die Vorgänge seien intransparent abgelaufen.
Auch die zahlreichen kleinen Leasingdeals Grenkes mit Kleinunternehmen seien lange nicht so werthaltig, wie es die Bücher darstellten, und: Die liquiden Mittel des Konzerns von laut Bilanz Ende Juni über einer Milliarde Euro seien nicht existent. Schwerer Stoff, letztlich waren es durch gefälschte Bankbestätigungen vorgetäuschte Barbestände in Höhe von 1,9 Milliarden Euro, die Wirecard zu Fall brachten.
Die Vorwürfe ziehen sich über 64 Seiten in scharfem Ton mit zahlreichen Beispielen, ganz nach dem Muster des Zatarra-Reports, an den später die "Financial Times" ihre kritischen Berichterstattung zu Wirecard anknüpfte. Kein Zweifel, Perring, der umfangreiche Shortpositionen bei Grenke aufgebaut hatte, erreichte, worauf er aus war: Am Kurssturz des MDAX-Papiers von 55 Euro auf unter 30 Euro dürfte er massiv verdient haben.
Millionen bei der Bundesbank
Die Baden-Badener wiesen die Behauptungen "auf das Schärfste" zurück. Insbesondere sei falsch, dass ein Großteil der ausgewiesenen liquiden Mittel von 1,08 Milliarden Euro nicht existiere. "Dies ist nachweislich falsch", so die Firma. Aktuell lägen 761 Millionen Euro bei der Deutschen Bundesbank. Auch die weiteren Vorwürfe des Spekulanten werde man detailliert widerlegen.
Unterstützung erhält der Konzern von Investoren. "Wenn hier Betrug vorliegt, dann hat der Bilanzprüfer einmal mehr vollkommen versagt", sagte etwa Hendrik Leber, Chef der Fondsgesellschaft Acatis, die laut Finanzdatendienst Bloomberg rund fünf Prozent an Grenke hält. Die Vorwürfe erschienen nicht stringent, sondern glichen einer Collage. Hier versuche jemand, von den Wirecard-Wellen zu profitieren, so Leber. Acatis habe Aktien nachgekauft.
Der Konzern muss jedoch schleunigst seine Details zur Entkräftung vorbringen. Grenke müsse einen Vertrauensverlust bei Anleihegläubigern "unter allen Umständen vermeiden", warnte die Commerzbank. Große Teile der Bilanz seien unbesichert finanziert. Überdies sei Grenke vor der Pandemie "übermäßige Risiken" eingegangen, Wachstumsraten über 20 Prozent im Neugeschäft seien nicht mehr zu erwarten.
Schmilzt das Vertrauen, könnten auch Anleger ihre Mittel bei der konzerneigenen Grenke-Bank abziehen, was die Bilanz belasten würde. Auch die Bafin ermittelt in alle Richtungen. Stellen sich die Vorwürfe als wahr heraus, droht der Entzug der Banklizenz, was große Probleme bei der Finanzierung des Geschäfts nach sich zöge. Immerhin: Weite Teile des Bargelds sind sicher - und kein "fake cash", wie Perring behauptet.
Absturz: Schwere Vorwürfe, tiefer
Sturz. Derzeit herrscht große Unsicherheit. Anleger warten erst einmal weitere Fakten ab.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 34,00 Euro
Stoppkurs: 24,00 Euro