Der sich abzeichnende Reformkompromiss mit den Gläubigern werde es schwer haben, eine Mehrheit in der regierenden Syriza-Partei zu finden, warnte Vize-Parlamentspräsident Alexis Mitropoulos am Dienstag. In dem Fall wären Neuwahlen wohl unausweichlich. Die EU-Kommission mahnte, ein Durchbruch müsse jetzt gelingen. Am Mittwoch wollen die Euro-Finanzminister über die Auflagen für weitere Milliardenhilfen entscheiden. Die Grundlagen dafür hatten die Regierungschefs der Euro-Zone Montagnacht gelegt.

"Ich glaube, dieses Programm (...) wird Schwierigkeiten haben, bei uns durchzukommen", sagte Mitropoulos dem Sender "Greek Mega TV". Das Volk werde ein "soziales Blutbad" nicht akzeptieren. Die von Tsipras' linksradikaler Syriza und den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" gebildete Koalition stellt 162 der 300 Abgeordneten - mehr als elf Abweichler kann sich Regierungschef Alexis Tsipras also nicht leisten. "Wenn die Regierung keine Parlamentsmehrheit hat, kann sie nicht im Amt bleiben", mahnte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis.

Bis zur Tagung der Euro-Finanzminister wollten die EU-Kommission, die Europäischer Zentralbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) die Reformvorschläge der Regierung in Athen prüfen. Am Donnerstag und Freitag folgt ein EU-Gipfel. Gelingt keine Einigung, verfallen die Milliarden aus dem in einer Woche endenden Hilfspaket - damit stünde eine Staatspleite kurz bevor.

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TSIPRAS SIGNALISIERT GLÄUBIGERN FLEXIBILITÄT

Mit ihren Reformvorschlägen geht die griechische Regierung in einigen Streitpunkten auf die Forderungen der Gläubiger ein, die eine dauerhafte Trendwende hin zu soliden Staatsfinanzen fordern. Nach Angaben aus der griechischen Regierung sollen Frühverrentungen von 2016 bis 2025 schrittweise abgebaut werden. Die Zuschläge für Bezieher kleiner Renten sollten erhalten, ab 2020 aber durch ein neues System ersetzt werden. Flexibilität signalisierte Tsipras demnach auch bei der Forderung nach einer Mehrwertsteuerreform. Das neue Angebot stieß bei den Gläubigern grundsätzlich auf Zustimmung, allerdings rechnen sie noch, ob die Maßnahmen reichen, um die Etatziele zu erreichen.

Der linke Syriza-Flügel verfolgt seit Wochen mit Argwohn, ob Tsipras sein Wahlversprechen bricht, die Sparpolitik der vergangenen Jahre zu beenden. Wie die Machtprobe ausgehen wird, ist schwer einzuschätzen. So zeigte sich der Syriza-Abgeordnete im Europaparlament Dimitris Papadimoulis überzeugt, dass sich der Regierungschef durchsetzen wird. "Ich glaube, dass der Deal durchkommt", sagte er zu Reuters: "Die Syriza-Abgeordneten werden nicht die Verantwortung dafür übernehmen, die Regierung nach nur fünf Monaten zu stürzen und einen Regierungschef fallenzulassen, den 70 Prozent der Griechen unterstützen.

"Die Regierung steckt in der Falle", sagte Pavlos Haikalis, der für Tsipras' Koalitionspartner "Unabhängige Griechen" im Parlament sitzt: "Ich bin mir nicht sicher, bis zu welchem Umfang diese Reformmaßnahmen auch umgesetzt werden können."

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EURO-ZONE SUCHT DIE ENTSCHEIDUNG

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, die Behörde hätte gerne von der griechischen Regierung eine Liste mit Maßnahmen, die sie vorrangig umsetzen will. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei zuversichtlich, dass in dieser Woche eine Einigung gelingen werde: "Dieses Spiel kann nicht in die Verlängerung gehen." Nach dem Euro-Gipfel hatte Frankreichs Präsident Francois Hollande gesagt, die Grundlagen für eine Einigung lägen "hier und jetzt" vor. Tsipras sagte, eine Vereinbarung liege jetzt in den Händen der Geldgeber. Ein drittes Hilfspaket oder eine Umschuldung spielten nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel keine Rolle. Bei einer Umschuldung riskieren die Gläubiger Milliarden. So bürgt Deutschland für über 50 Milliarden Euro.

Volkswirte bezweifelten, dass die griechischen Vorschläge die Wende bringen. Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sagte, Athen setze zu sehr auf Steuererhöhungen statt auf echte Reformen. Sein Commerzbank-Kollege Jörg Krämer warnte, die Syriza stütze sich auf reformresistente Wähler wie Rentner und Beamte. Bei einem Bankrott müssten aber auch die Geldgeber ihren Wählern erklären, dass ein Großteil der Hilfen verloren sei. Die Folge dürfte ein fauler Kompromiss sein.

Die Gefahr eines Euro-Austritts ("Grexit") des Landes hat sich nach Einschätzung der Ökonomen mit dem Euro-Gipfeltreffen verringert. Die EZB weitete erneut die Nothilfen für die griechischen Banken aus, von denen die Bürger immer mehr Geld abziehen. Die Hoffnung auf einen Kompromiss beflügelte erneut die europäischen Börsen. Der Dax lag am Nachmittag rund 1,4 Prozent im Plus bei 11.625 Zählern. Am Montag hatte er 3,8 Prozent zugelegt. Der Leitindex der Börse in Athen kletterte um 4,5 Prozent, vor allem Bankenaktien legten zu.

Reuters