Im Mittelpunkt der strengeren Vorgaben würde die Erhöhung der ungewichteten Eigenkapitalquote (Leverage Ratio; LR) stehen. Die dahinterliegende Annahme: Je höher das Verhältnis von Kapital zu Bilanzsumme, desto höher der Kapitalpuffer und desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bank einen externen Schock übersteht.
Dass die Äußerungen von Widmer- Schlumpf nun für den Schweizer Finanzplatz eine mittlere Katastrophe darstellen, liegt nicht zuletzt daran, dass es die Konkurrenz aus dem EU-Raum eben erst geschafft hat, eine geplante Erhöhung der Leverage Ratio wegzuverhandeln. Die Verhältniszahl bleibt bis auf Weiteres bei 3,0 Prozent. Das Problem aus Sicht der Schweizer Banken: Sie müssen ohnehin schon schärfere Vorgaben erfüllen, verlangt der Staat von ihnen doch bis 2019 eine Leverage Ratio von 4,5 Prozent. Laut Widmer- Schlumpf könnten in Zukunft sogar "sechs bis zehn Prozent" auf den eidgenössischen Finanzsektor zukommen.
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Mit Schweizer Bedacht
Dennoch scheinen die Aktien der Schweizer Geldhäuser das schlimmste Kursgewitter überstanden zu haben. Das zweite große Problem - der Steuerstreit mit den USA - dürfte vor einer Lösung stehen, und spätestens seit dem Erfolg der EU-Bankenlobby könnte Widmer-Schlumpf mit ihrem Vorstoß, der auf eine kurzfristige Schwächung der eigenen Banken hinauslaufen würde, in der Regierung ziemlich allein dastehen.
Bleibt es bei den aktuellen Vorgaben, steht der Schweizer Finanzsektor gar nicht so schlecht da: So überspringen die beiden Privatbanken Julius Bär und Vontobel die Messlatte von 4,5 Prozent schon jetzt (siehe Tabelle), die UBS liegt nur knapp darunter.
Einen relativ weiten Anlauf zum Sprung über die 4,5-Prozent-Hürde hat jedoch noch die Credit Suisse vor sich. Sie kommt derzeit nur auf 3,5 Prozent.
Mit Bedacht sollten sich Anleger Schweizer Bankaktien trotzdem ansehen - denn die europäische Konkurrenz schläft nicht. Vergleicht man den eidgenössischen Sektor mit EU-Großbanken wie die Deutsche Bank oder HSBC, fällt auf, dass die Schweizer Institute von der fundamentalen Seite her hinterherhinken. Sowohl die Deutschen als auch die Briten erfüllen die von ihnen geforderten Eigenkapitalvorschriften schon jetzt. Dass die LRs mit 3,1 respektive 4,2 Prozent nicht berauschend sind, stört am Aktienmarkt wenig - Hauptsache, die gesetzlichen Vorgaben sind erfüllt. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, zusätzlich Kapital zu beschaffen.
Kurstechnisch ist das eine durchaus gute Nachricht. Denn die Generierung einer höheren Kapitalquote gelingt in der Regel nur über kursbelastende Mechanismen wie etwa Kapitalerhöhung, Reduzierung der Bilanzsumme oder Senkung des Gewinns und somit der Dividende.
Sieht man sich abseits der Kapitalquoten andere Kennzahlen an, werden die Probleme für die Schweizer nicht kleiner: Sowohl die Deutsche Bank mit ihrer überraschend hohen Verlustmeldung als auch HSBC sind am KGV gemessen deutlich günstiger als die eidgenössische Konkurrenz. Bei der erwarteten Dividendenrendite kann nur die kleine Privatbank Vontobel angesichts von 3,3 Prozent mit den EUKonkurrenten mithalten. Die Deutsche Bank schafft zwei, HSBC rund fünf Prozent. Wertet man schlussendlich alle besprochenen Kennzahlen aus, verfügt einzig Vontobel im europäischen Wettbewerb über Aufwärtspotenzial und stellt somit einen Kauf dar. Credit Suisse erscheint vom Kapital her als relativ schwach ausgestattet und nach der jüngsten Hausse als zu teuer. Julius Bär wirkt wiederum - wie Vontobel - nicht transparent genug. So gibt weder die eine noch die andere Privatbank in ihren aktuellen Finanzberichten die viel beachtete Kernkapitalquote CET1-Ratio an. Während Vontobel dieses Manko jedoch durch die bereits erwähnten fundamentale Stärke ausgleichen kann, schafft Julius Bär das nicht.
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