Die Nullzinspolitik der Zentralbanken hat viele Sparer verunsichert und fordert neue Konzepte für den Vermögensaufbau. Doch um selbstbestimmt und erfolgreich an den Kapitalmärkten agieren zu können, benötigt man grundlegendes Finanzwissen - und daran fehlt es häufig. Rund die Hälfte der Befragten einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag von AVL will mehr zum Thema Finanzen wissen und fordert gezielten Unterricht. Am meisten interessieren sich die deutschen Sparer demnach für die Themen Altersvorsorge und Fördermöglichkeiten - aber auch die Frage nach den Kosten rückt in den Fokus.

Die Twitter-Kurznachricht einer 17-jährigen Schülerin machte im vergangenen Jahr Furore im Internet, als diese schrieb: "Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben." Kein Einzelfall, wie die repräsentative Studie der GfK beweist: Von den Befragten mit Finanzinteresse (55 Prozent) forderten ganze 84 Prozent mehr Bildungsangebote in diesem Bereich. In den alten Bundesländern liegt der Anteil mit 86 Prozent etwas höher als in den neuen mit 78 Prozent. Offensichtlich gibt es hier auch bei den Erwachsenen ein deutliches Defizit. Dem Ruf nach mehr Finanzbildung folgt die Frage, wer diese vermitteln sollte. In erster Linie sehen die Befragten diese Aufgabe bei den Lehrern an öffentlichen Schulen. Aber auch Praktikern aus der Finanzbranche und spezialisierten Hochschullehrern wird die Vermittlung zugedacht. Dieses Ergebnis deutet drei Säulen an, auf die sich die Finanzbildung stützen könnte: So wäre ein denkbarer Ansatz, mehr ökonomisches Grundwissen und Finanzthemen in den regulären Schulstoff zu integrieren und zusätzlich Hochschullehrer und Praktiker aus der Finanzbranche zu konkreten Fragestellungen einzuladen, um das Spezialwissen zu vertiefen.

Was die Finanzthemen angeht, ist über alle Bundesländergrenzen hinweg ein klarer Trend zu beobachten: Die Altersvorsorge ist der Aspekt, der den Befragten am meisten unter den Nägeln brennt. Insgesamt gab jeder Dritte an, persönliches Interesse an dem Thema zu haben. Es ist eindeutig, dass angesichts der immer kleiner werdenden gesetzlichen Rentenansprüche die private Vorsorge an Bedeutung gewinnt. Das Interesse daran ist in allen Bundesländern gleichmäßig hoch und steht deutlich vor den Themen Geldanlage, private Versicherungen oder Immobilien.

Neben der Altersvorsorge legen die Deutschen ein besonderes Augenmerk auf Förderungen, also Zulagen, Prämien und Steuervorteile. Auch dieses Ergebnis geht mit der Nachfrage nach weiteren Bildungsangeboten einher. Dasselbe trifft auf das Thema Kosten zu, wozu beispielsweise Provisionen zählen. Für die Hälfte aller Befragten mit Finanzinteresse sind Kosten ein relevanter Aspekt. Neben den Förderungen und Chancen, beispielsweise durch Kursgewinne oder Zinsen, haben auch anfallende Kosten großen Einfluss auf die Attraktivität von Finanzprodukten und machen häufig den entscheidenden Unterschied: Denn je mehr Geld in Provisionen und Gebühren fließt, desto geringer ist das Anlagevolumen und somit auch die Erträge.

Generell bewegen Männer und Frauen bei Finanzthemen dieselben Fragen. Ein deutlicher Unterschied lässt sich nur bei den Risiken von Finanzprodukten erkennen. Hier sehen Männer mit 46 Prozent deutlich mehr Aufklärungsbedarf als Frauen (31 Prozent). Dieses Ergebnis deckt sich mit anderen Studien, nach denen Männer eher bereit sind, Risiken bei Investments einzugehen - diese Risiken aber offensichtlich auch verstehen wollen. Die Umfrage zeigt: Das Interesse an Finanzthemen ist vorhanden, es fehlt nur an den entsprechenden Bildungsangeboten. Idealerweise beginnt die Annäherung an Finanzthemen bereits in der Schule. Eine Gedichtanalyse sollte weiterhin zum Schulstoff gehören - mindestens genauso wichtig ist es aber, über die eigenen Finanzen Bescheid zu wissen, um eigenverantwortlich agieren zu können.

Uwe Lange



Lange (nicht zu verwechseln mit unserem Börsenbarometer-Autor) blickt auf über 20 Jahre Erfahrung im Anlagebereich zurück. Mit dem Ziel, versteckte Kosten bei Kapitalanlagen zu reduzieren, gründete er 1997 AVL Finanzvermittlung e.K. mit Sitz in Weinstadt bei Stuttgart. AVL hat sich bis heute mit über 45 000 Kunden als bundesweit führender unabhängiger Vermittler von Produkten mit Investmentansatz etabliert.