Der größte deutsche Wohnkonzern Vonovia hat bei seinem Übernahmeangebot für Deutsche Wohnen die Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent einfach gekippt. Damit ist der Weg für den Deal praktisch frei. Doch maßgebliche Aktionäre von Deutsche Wohnen machen Konzernchef Michael Zahn schwere Vorwürfe, sich bei der Transaktion in erster Linie die eigenen Taschen vollzustopfen.

"Wir können uns nicht erinnern, dass ein Unternehmen schon einmal in einem laufenden Deal auf alle Bedingungen verzichtet und die Annahmeschwelle auf null gesenkt hat", sagte ein Sprecher der Fondsgesellschaft Union Investment gegenüber €uro am Sonntag. "Wenn sich der Deutsche-Wohnen- Vorstand auf so was einlässt, dann ist das Handeln nach Gutsherrenart und ein schwarzer Tag für die Aktienkultur in Deutschland. Wir fühlen uns vom Vorstand verraten."

Vonovia-Chef Rolf Buch kommt mit dem ungewöhnlichen Schachzug allerdings nach mehreren erfolglosen Anläufen bei der 19-Milliarden-Euro- Transaktion doch noch ans Ziel. Die letzte Offerte Ende Juli war noch an der 50-Prozent-Hürde gescheitert. Dann hatte Vonovia das Gebot um einen auf 53 Euro aufgestockt, aber die Schwelle beibehalten. Nun fällt auch die Schwelle weg.

"Die Messe ist gelesen"


Änderungen der Angebotsbedingungen hat es immer mal wieder gegeben. So hat etwa der Gasekonzern Linde 2017 bei der Fusion mit Praxair die Mindestannahmeschwelle auch gesenkt, um den Milliardendeal klarzumachen - allerdings von 75 auf 60 Prozent. Doch dass ein Unternehmen übernommen wird, ohne dass mindestens 50 Prozent der Aktionäre dieses Unternehmens zugestimmt haben, gilt als absolutes Novum.

Ähnlich sieht das Marc Tüngler von der Aktionärsvereinigung DSW. "Man kann es noch durchgehen lassen, dass Vonovia- Chef Rolf Buch den Deutsche- Wohnen-Aktionären die Pistole auf die Brust setzt, auch wenn das nicht mehr freundlich ist", erläutert Tüngler gegenüber €uro am Sonntag. "Kritisch sehen wir das Verhalten des Deutsche-Wohnen-Vorstands, der zunächst auch gegen die Übernahme war und sich dann so aufgegeben hat. Das wirft Fragen auf." 53 Euro je Aktie sei jedenfalls deutlich unter Wert. Rechtliche Schritte behalte man sich deshalb vor. Zunächst verlange man von Deutsche-Wohnen- Chef Zahn Antworten. "Die Sache ist für uns noch nicht abgeschlossen."

Tüngler hält auch regulatorische Konsequenzen für nötig: "Ein kompletter Verzicht auf Annahmebedingungen in einer laufenden Übernahme sollte von vornherein ausgeschlossen werden." Für Deutsche-Wohnen- Aktionäre wiederum macht es aus Sicht der DSW wenig Sinn, jetzt noch auf eine höhere Abfindung zu spekulieren. "Aus unserer Sicht ist die Messe gelesen, und es wird auch kein höheres Angebot geben." Bei Union Investment will man bis Ende der Annahmefrist abwarten.

Mit den jetzt erneut geänderten Bedingungen verlängert sich die ursprünglich am 20. September auslaufende Annahmefrist noch mal um zwei Wochen und wird nun am 4. Oktober enden. Vonovia hält bereits knapp 30 Prozent der Deutsche- Wohnen-Anteile und hat sich Zugriff auf weitere zehn Prozent gesichert. Zudem kann Vonovia weitere Aktien über den Markt kaufen, sodass eine HV-Mehrheit zustande kommt. "Wir gehen davon aus, dass wir über die 50 Prozent kommen werden", sagte Buch.