Ein Blick auf die Entwicklung des Finanzsektors in China lässt ahnen, wohin die Reise für Indien mit seinen knapp 1,3 Milliarden Menschen gehen könnte. Noch vor 20 Jahren spielten Chinas Banken global allenfalls Nebenrollen, heute stammen nach Marktkapitalisierung vier der zehn größten Institute weltweit aus dem Reich der Mitte. Indien taucht auf der Top-50-Liste bislang nur ein einziges Mal auf, mit der HDFC Bank. In zehn bis 15 Jahren könnten die Großbanken des Landes - Indiens Wirtschaft wächst jährlich zwischen sieben und acht Prozent - aber ganz weit vorn mitmischen.
Ministerpräsident Narendra Modi trat sein Amt 2014 mit einer umfangreichen Reformagenda an, die inzwischen in Teilen abgearbeitet ist. Die bislang wichtigste Maßnahme war eine Mehrwertsteuerreform, die das Fiskalsystem ab 2017 landesweit vereinheitlicht - ein Treibsatz für langfristiges Wachstum. Zudem hat er eine massive Ausweitung der Kundenbasis im Bankensektor eingeleitet. Während Anfang 2014 etwa die Hälfte der Inder kein Konto führte, ist dieser Anteil durch die Einführung sogenannter Payments Banks, die Basiskonten und -dienste anbieten, seitdem massiv geschrumpft. Anleger tun südlich des Himalaja gut daran, strikt zwischen Staatsbanken und Privatbanken zu unterscheiden. Marode Finanzinstitute gibt es vor allem im öffentlichen Sektor, der noch heute etwa 70 Prozent des Marktes ausmacht. Diese sogenannten Public Sector Banks liegen bei der Neuausreichung von Krediten nach Einschätzung der Schweizer Bank Credit Suisse in der Modi-Ära deutlich hinter den dynamischeren Privatbanken.
HDFC Bank in €:
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Staatsbanken mit Problemen
Dass die Staatskonzerne in der Regel erheblich mehr faule Kredite in ihren Büchern haben als ihre privaten Rivalen, erklärt, warum das private Institut HDFC Bank zum gut Vierfachen des Buchwerts gehandelt wird, die State Bank of India dagegen nur mit einem minimalen Aufschlag. Credit Suisse schätzt die Problemkredite im indischen Banksektor auf insgesamt mehr als 15 Prozent - was grob den Verhältnissen in Italien entspräche.
Berücksichtigen muss man, dass die staatlich kontrollierten Institute in Indien weit über diesem Mittelwert liegen, die privaten weit darunter. Auch andere Kennziffern bei den Privaten beeindrucken. Die Jahresberichte sind im positiven Sinne altmodisch und verständlich. Ein Paradebeispiel ist die HDFC Bank (nicht mit dem Hypotheken-finanzierer HDFC zu verwechseln).
Der Platzhirsch unter Indiens Privatbanken kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von 54 Milliarden Euro, also Commerzbank mal acht. Die HDFC Bank betreibt knapp 5000 Filialen und über 12 000 Geldautomaten in Indien. Die Zahl der ausgegebenen Kreditkarten lag im April bei 7,3 Millionen, gut zwei Millionen mehr als zwei Jahre zuvor. In Indien beträgt die Marktdurchdringung bei Kreditkarten aktuell erst zwischen drei und fünf Prozent: eine sensationelle Wachstumsperspektive.
Die Geschäftszahlen sprechen für sich. Der Gewinn je Aktie stieg von 7,3 Rupien vor zehn Jahren kontinuierlich auf zuletzt 48,8 Rupien. Ein ADR entspricht in diesem Fall drei Aktien. (American Depository Receipts oder Global Depository Receipts, kurz GDR, sind Hinterlegungsscheine, die stellvertretend für die ausländische Originalaktie gehandelt werden). Die Eigenkapitalrendite lag im gleichen Zeitraum bei 16 bis 21 Prozent, wovon europäische Banken nicht einmal zu träumen wagen. Der Buchwert je Aktie hat sich von unter 30 Rupien (2005) auf annähernd 300 Rupien verzehnfacht. Bei anderen börsennotierten Privatbanken, vor allem Axis und ICICI, sieht die Langfristperformance ähnlich spektakulär aus. Zudem erhalten Aktionäre Dividenden, die in Indien in der Regel einmal jährlich ausgeschüttet werden.
Indien scheint politisch und wirtschaftlich auf dem richtigen Weg zu sein. Die Aktien von Privatbanken eignen sich, um davon langfristig zu profitieren. Billig sind sie nicht. Wer langfristig investiert, sollte sie dennoch im Auge behalten. Schwache Börsenphasen bieten Kaufchancen.