Optimismus versprühte Reinhard Ploss nicht gerade, als er das Zahlenwerk von Infineon für das am 30. September beendete Geschäftsjahr 2018/19 präsentierte. Angesichts der anhaltenden globalen Konjunkturschwäche erwartet er für die Halbleiterbranche, dass die Nachfrage nicht vor dem nächsten Frühjahr wieder anziehen dürfte. Die Talsohle sieht er für seinen Konzern schon erreicht.
"Wir haben uns der veränderten Situation rasch angepasst", kommentierte er die Geschäftsentwicklung im Gesamtjahr. Die Entwicklung im vierten Quartal stützt diese Einschätzung. Infineon übertraf dabei die eigene Prognose und die der meisten Analysten. Mit 2,02 Milliarden Euro bewegte sich der Umsatz im Zeitraum von Juli bis September 2019 auf Vorjahresniveau. Das Segmentergebnis verringerte sich um fast ein Viertel auf 311 Millionen Euro. Fürs laufende Geschäftsjahr rechnet Ploss mit fünf Prozent mehr Umsatz. Die operative Marge soll mit etwa 16 Prozent das Vorjahresniveau erreichen. Hier kam Infineon auf 16,4 Prozent.
Auch im Gesamtjahr hat Infineon besser abgeschnitten, als nach der Gewinnwarnung vom März zu erwarten war. Die Erlöse legten um sechs Prozent auf mehr als acht Milliarden Euro zu. Der operative Gewinn sackte um 21 Prozent auf 1,16 Milliarden Euro ab. Als wesentliche Faktoren nennt das Management die im zweiten Halbjahr gestiegenen Leerstandskosten in Verbindung mit den höheren Forschungs- und Entwicklungskosten.
Autosparte hält den Kurs
In der Spur blieb der größte der vier Geschäftsbereiche. Die Sparte Automotive, die fast die Hälfte der Konzernerlöse stellt, verbesserte den Umsatz um sieben Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Im Gegenzug sank der operative Gewinn von 466 auf 405 Millionen Euro. Im laufenden Geschäftsjahr sollen die Umsätze mit Produkten für die Autoindustrie leicht über dem Konzerndurchschnitt wachsen. Zugute kommt Infineon, dass die Sensoren und Mikrocontroller vor allem in den Fahrzeugen der Premium- und Mittelklassehersteller verbaut werden, etwa als Leistungshalbleiter für Fahrassistenzsysteme, als Mikrochips für Antriebe oder als Steuerungselemente für Elektroautos.
Gut behaupten konnte sich auch das zweitgrößte Geschäftsfeld Power Management & Market. Die Mikrochips und Sensoren kommen bei der Stromversorgung von Rechenzentren, bei Ladesäulen für Elektrofahrzeuge, aber auch in Smartphones oder Computern zum Einsatz. Hier kletterte der Umsatz um fünf Prozent auf 2,45 Milliarden Euro, während das Segmentergebnis um zehn Prozent auf 585 Millionen Euro vorankam.
Rückläufig war dagegen das operative Ergebnis in der Division Digital Security Solutions, die Chips für Ausweise und Bezahlkarten entwickelt. Dasselbe gilt für Industrial Power Solutions. Mit den Lösungen für elektrische Antriebe in der Industrieproduktion, für Windräder und Photovoltaikanlagen oder für die Motorsteuerung von Zügen bekommt diese Sparte gerade den globalen konjunkturellen Abschwung zu spüren.
Für den nächsten Aufschwung gerüstet
In Summe lassen Zahlen und Ausblick erkennen, dass das Risiko weiter sinkender Renditen als gering einzuschätzen ist. Im Gegenzug bietet die Aktie Kaufargumente. So hinkt der Titel mit Kursgewinnen von zwölf Prozent seit Jahresanfang dem maßgeblichen Branchenindex weit hinterher. Der PHLX Semiconductor Index, kurz SOX, ist im selben Zeitraum um 50 Prozent nach oben geschossen. Während etliche SOX-Mitglieder vor allem auf zyklisches Wachstum bauen, wird Infineon in Zukunft noch stärker auf strukturelles Wachstum in neuen Abnehmermärkten setzen. Dazu beitragen soll auch die neun Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des kalifornischen Halbleiterherstellers Cypress Semiconductor. Gibt die US-Regulierungsbehörde grünes Licht, soll die größte Transaktion der Firmengeschichte bis Anfang 2020 abgeschlossen sein. "Dank dieser Übernahme werden wir den eingeschlagenen Weg mit deutlich mehr Kilowatt fortsetzen", sagt Ploss - und bezieht sich dabei auf die Produktpalette von Cypress. Die US-Firma produziert unter anderem Hochleistungschips für selbstfahrende Autos und digital vernetzte Industrieanlagen.
Aus Anlegersicht bedeutet das: Schafft es Infineon in den nächsten Quartalen, bei den Margen wieder deutlich zuzulegen, steht die Aktie vor einer Neubewertung. Langfristig orientierte Investoren steigen jetzt schon ein.