Türkische Aktien legten in den vergangenen zehn Jahren mehr als 220 Prozent zu. Ein langfristiges Engagement an der Börse in Istanbul erfordert jedoch starke Nerven. Die Kurse schwanken heftig. Institutionelle Anleger aus dem Ausland ziehen ihre Gelder schnell ab, sobald sie Risiken erkennen, und steigen wieder massiv ein, sobald sie Chancen sehen. Vor allem in Zeiten politischer Unsicherheit nimmt die Volatilität zu. Auf den Ausgang der Parlamentswahlen vor einigen Wochen reagierte der Leitindex ISE 100 daher mit kräftigen Verlusten.

Die vom türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan beherrschte AKP-Partei verlor nach 13 Jahren Alleinherrschaft ihre Mehrheit. Die Wirtschaftspolitik der AKP hatte in den vergangenen Jahren einen Wachstumsschub ausgelöst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kletterte um durchschnittlich fünf Prozent im Jahr. Zuletzt ging dem "anatolischen Tiger" jedoch die Puste aus. Statt der angepeilten vier werden in diesem Jahr wohl nur zwei Prozent BIP-Wachstum erreicht. Zu wenig für ein Schwellenland, dessen Bevölkerungszahl pro Jahr um 1,5 Prozent wächst. Verantwortlich für die verhaltene Dynamik ist nicht zuletzt der nachlassende marktwirtschaftliche Reformeifer der Regierung. Die Politik mischt sich dagegen wieder stärker in den Markt ein. Unter anderem bezichtigte Erdogan den Chef der Notenbank des Landesverrats. Dieser hatte sich mit Verweis auf neun Prozent Inflation geweigert, der Aufforderung Erdogans nachzukommen, die Zinsen zu senken. Noch ist nicht klar, wer die Türkei künftig regieren wird. Erdogan plädiert nach anfänglichem Schweigen für die rasche Bildung eines Koalitionsbündnisses. Diese hatten sich in der Vergangenheit allerdings als wenig stabil erwiesen. Die Türkei konnte deshalb ihr wirtschaftliches Potenzial nicht voll ausspielen. Das kann sich wiederholen, muss es aber nicht. Vorstellbar ist auch, dass sich die künftige Regierung wieder verstärkt auf Wachstum konzentriert und die Unabhängigkeit der Zentralbank voll respektiert. Die türkische Börse würde darauf positiv reagieren. Der Einstieg in den türkischen Aktienmarkt zum jetzigen Zeitpunkt ist also riskant, kann sich aber lohnen. Zu den Top-Ten-Werten des iShares MSCI Turkey zählen Finanztitel wie Turkiye Garanti Bankasi und die Akbank. Analysten empfehlen auch Industrieunternehmen wie Tav Havalimanlari und Koç, die ebenfalls gewichtig im ETF enthalten sind. Neben der Aussicht auf eine wieder wirtschaftsfreundlichere Politik sowie einer Belebung der EU-Beitrittsverhandlungen entzündet sich die Kursfantasie auch an einer möglichen Aufhebung der gegen das Nachbarland Iran erhobenen Sanktionen. Auch die Schweizer UBP Bank geht davon aus, dass die langfristigen positiven Dynamiken im Land sich nicht aufgrund einer anderen Regierung verändern werden. Mit einer jungen Bevölkerung und niedrigen Pro-Kopf Zahlen für viele Konsumgüterartikel biete der türkische Binnenmarkt hohe Wachstumschancen.

- Mutige legen sich auf die Lauer und steigen langsam ein.

jb/jk

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