Die italienische Börse läuft gut. Der Leitindex FTSE MIB notiert nur noch wenige Punkte unter dem Zwischenhoch von 24 490 Punkten aus dem Jahr 2018 - der absolute Rekord von über 46 000 Punkten aus Zeiten der Jahrtausendwende scheint erst einmal unerreichbar. Doch sollte nach mehrfach vergeblichen Anläufen irgendwann demnächst der nachhaltige Durchbruch der 2018er-Rekordmarke gelingen, wäre das charttechnisch ein extrem wertvolles Kaufsignal.
Neutrale Beobachter dürfte es zunächst überraschen, dass der italienische Aktienmarkt überhaupt die Chance auf so eine wichtige Kursweichenstellung hat. Denn vieles in Italien gleicht nach wie vor einem Tanz auf dem Vulkan. Jedenfalls führen politische Turbulenzen und negative Wirtschaftsdaten immer wieder zu Nervosität an den Märkten. Hintergrund dafür ist die Frage nach der Tragfähigkeit der Staatsschulden. Zur Erinnerung: Mit rund 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist Italiens Verschuldung nach Griechenland die zweithöchste im Euroraum.
Massive strukturelle Probleme
Der aktuelle Ministerpräsident Giuseppe Conte steht nach dem holprigen Start seiner neuen Koalitionsregierung jedenfalls vor vielen Herausforderungen. So gibt es massive strukturelle Probleme wie ineffiziente Institutionen, ein verkrusteter Arbeitsmarkt und ein hoher Grad an Korruption. Zeugnis dieser Probleme sind ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum um nur 0,4 Prozent in den vergangenen 20 Jahren, die überdurchschnittliche Arbeitslosenrate von 9,7 Prozent und lediglich Rang 49 bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Dennoch legte die Börse im abgelaufenen Jahr um über 30 Prozent zu. Erklären lässt sich das mit gesunkenen Risikoprämien für Assets aus Italien. Mit 1,4 Prozent (zeitweise sogar 0,7 Prozent) rentieren zehnjährige italienische Staatsanleihen rund 240 Basispunkte niedriger als Mitte Oktober 2018. Hinzu kommen Pluspunkte in Sachen Bewertung. Das Markt-Kurs-Gewinn-Verhältnis bewegt sich etwas unter dem Durchschnitt seit 1988. Die Dividendenrendite übersteigt jene der Staatsanleihen so stark wie selten seit den 90er-Jahren. Auch die Ergebnisprognosen gingen zuletzt leicht nach oben - im restlichen Europa sanken sie dagegen meist. Für 2020 und 2021 ist laut Morgan Stanley immerhin mit einem Gewinnplus je Aktie von im Schnitt 5,8 bis 7,1 Prozent zu rechnen.
Eine aussichtsreiche Aktie ist der IT-Dienstleister Sesa, der als Schlüsselakteur für den digitalen Wandel in Italiens Wirtschaft gilt. Die Gesellschaft ist Lösungspartner in IT-Bereichen wie Cloud, Analytik, Vernetzung, Sicherheit und künstliche Intelligenz. Wie gut die Geschäfte laufen, zeigt ein von 2011 bis 2019 verbuchtes Umsatzplus von im Schnitt 9,6 Prozent pro Jahr. Beim operativen Gewinn geht der Vorstand von einem Plus von je zehn Prozent für die nächsten beiden Fiskaljahre aus.
Ebenfalls sehr überzeugend fällt das Wachstum bei Be Think Solve Execute aus. Die Gesellschaft hilft Finanzdienstleistern in Europa unter anderem beim (Re-)Design von Geschäftsmodellen, bei Anpassungen an regulatorische Anforderungen oder beim Einstieg in die digitale Ära. Der Umsatz stieg hier von 2008 bis 2018 von 68,4 Millionen auf 150,2 Millionen Euro. Beim Ergebnis nach Steuern gelang zugleich der Dreh von einem Verlust von 7,9 Millionen auf ein Plus von 5,5 Millionen Euro. Den Plänen nach soll der Umsatz bis Ende 2022 auch per Übernahmen auf mindestens 250 Millionen Euro steigen und das Ebitda soll sich von 23,6 Millionen auf mehr als 45 Millionen Euro fast verdoppeln.
Mehr Kapazität, mehr Umsatz
Der dritte Mitfavorit ist El.En. - eine Hightechgruppe, die sich hauptsächlich mit der Herstellung von Lasersystemen, primär für Medizin und Industrie, beschäftigt. Hier liegt das durchschnittliche Umsatzplus von 2011 bis 2019 bei 14 Prozent pro Jahr. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen verbesserte sich sogar im Schnitt um jährlich 29 Prozent. Das Marktumfeld verbunden mit dem bei El.En. vorhandenen Innovationspotenzial und den Kapazitätserweiterungen lässt weitere Zuwächse erwarten. So sieht der Analystenkonsens den Gewinn je Aktie von 2018 bis 2020 von 94 Cent auf 1,38 Euro steigen.
Als Wachstumsgarant hat sich auch der vierte Kauftipp Zignago Vetro entpuppt. Der Glasproduzent für die Bereiche Lebensmittel und Kosmetik hat von 1988 bis 2018 ein Umsatzplus von im Schnitt 7,7 Prozent vorzuweisen. Der Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen erhöhte sich um durchschnittlich acht Prozent. Laut Analysten soll der Gewinn je Aktie von 2018 bis 2022 von 51 auf 80 Cent steigen. Das erklärt sicher auch, warum die Zignago-Aktie unlängst neue Bestmarken aufstellte - wie die drei anderen Aktien.