Kurz vor Weihnachten war es so weit: Der Nikkei 225 kletterte über 23 000 Punkte. So hoch notierte Japans Leitindex zuletzt im Jahr 1996, vor fast 22 Jahren. Lange hat es gedauert also, bis auf 8000 Punkte war man zwischenzeitlich abgesackt. Japans Börse - das war bestenfalls etwas für Trader, die es verstanden, das Hin und Her auszunutzen. Denn zu einem Comeback setzte Tokio zwar immer mal wieder an, jedoch lange ohne nachhaltigen Erfolg. Bisher.
Japan war ja mal eine richtig große Story: Von 1970 bis 1989 legte die Börse um mehr als 5000 Prozent zu. Im selben Zeitraum schafften europäische Aktien "nur" 600 Prozent. Dass die Börse Tokio damals so fulminant anstieg, hatte gute Gründe, schließlich schaffte man über viele Jahre grandiose Wachstumsraten, und das Bruttoinlandsprodukt wuchs auf das weltweit zweithöchste an - nur die USA leisteten mehr. Und auch wenn man sich das heute nur schwerlich vorstellen kann: Ende der 80er-Jahre war Japan im Weltaktienindex MSCI World die gewichtigste Nation.
Doch Japan ist auch ein mahnendes Beispiel. Denn es waren vor allem die niedrigen Zinsen, die den Aktien- und Immobilienmarkt damals nach oben trieben. Der Zusammenbruch kam dann, als die Zinsen wieder stiegen. Der Aktienmarkt fiel und fiel, und das Land rutschte in das legendäre sogenannte "verlorene Jahrzehnt", Schuldenkrise inklusive. Und eigentlich waren es - Plural! - verlorene Jahrzehnte. Erst jetzt, seit zwei, drei Jahren, scheint sich das Land zu berappeln.
Man sieht das an der Börse: Während alle Welt auf den Leitindex Nikkei schielt, der zwar auch stark gestiegen ist, aber immer noch weit vom Allzeithoch von fast 40 000 Punkten entfernt ist, hat der marktbreitere MSCI Japan fast unbeachtet im Mai 2017 auf Dollarbasis die Rekorde der goldenen Zeiten, die 1989 ihren Höhepunkt erreichten, schon geschafft.
Gleichzeitig ist alles anders. Die Bewertungen heute sind weit vernünftiger als damals und halten auch einem Vergleich mit den USA und Europa stand. Das geschätzte KGV für den Nikkei-Index liegt aktuell dank steigender Gewinne bei 17, die Dividendenrendite bei im Schnitt 1,8 Prozent. Das ist besser als bei den Amerikanern. Und das Kurs-Buchwert-Verhältnis japanischer Werte hat sich seit 1990 beinahe gedrittelt. Ein Beispiel für die damaligen Exzesse ist hier NTT. Der Börsenwert des Telekommunikationsunternehmens überstieg Ende der 80er-Jahre den Wert aller an deutschen Börsen notierten Inlandsaktien. Verrückt.
Auf Seite 2: Schlank und rank
Schlank und rank
Doch die Exzesse scheinen über die Jahre hinweg abgebaut worden zu sein. Und auch die Unternehmen werden besser - und aktionärsfreundlicher - geführt. So legt die Eigenkapitalrendite japanischer Aktiengesellschaften sowohl absolut als auch relativ zu anderen Ländern zu.
Des Weiteren ist die Unternehmensverschuldung insgesamt gering, anders als etwa in Nordamerika, wo die Verschuldung der Firmen seit der Finanzkrise deutlich zugelegt hat. Ähnliches gilt für das Gewinnwachstum - also die de facto wichtigste Kennzahl für anziehende Kurse. Diese steigt bei vielen japanischen Unternehmen kontinuierlich, und auch für die nächsten Jahre sind die Schätzungen der Experten vielversprechend.
Ein positives Beispiel ist hier Panasonic. Der Elektrokonzern, früher mit Schwerpunkt Audio und Video, erfindet sich gerade neu und behauptet sich immer mehr im Bereich Batterien. So prüft man gerade ein Gemeinschaftsunternehmen mit Toyota zur Entwicklung von Akkus für Elektroautos. Ziel sind Verbesserungen bei Leistung, Preis und Sicherheit sowie der Ausbau einer zuverlässigen Lieferkette. Außerdem stimmen bei der Panasonic-Aktie Bewertung und Dividendenrendite - Letztere liegt bei 2,2 Prozent.
Ebenfalls aussichtsreich erscheint das Telekomunternehmmen NTT DoCoMo, das gerade mit dem chinesischen Elektronikahersteller Huawei ein 5-G-Netz im Ballungszentrum von Yokohama testet. Mit dem Ziel, das Ganze landesweit auszudehnen. NTT DoCoMo ist mit mehr als 53 Millionen Kunden größter Mobilfunkanbieter im Land. Diese Marktstellung nutzt man und bietet ab sofort ausländischen Japan-Besuchern kostenlosen Zugriff auf das mobile Datennetz. Wie bei Panasonic ist die Aktie gut bewertet und bietet eine Dividendenrendite von 3,2 Prozent.
Spekulativer, weil schon gut gelaufen, ist die Aktie von Fanuc. Der japanische CNC- und Roboterspezialist feierte gerade die Produktion seines 500 000. Roboters. Rekord! Fanuc ist in Sachen Stückzahlen weltgrößter Roboterhersteller. Im August 2018 soll eine weitere Fabrik eröffnet werden, wodurch die Kapazität von 6000 auf 11 000 Einheiten pro Monat fast verdoppelt wird. Das erinnert an goldene Zeiten, als Japan einmal eine große Story war. Jetzt ist man immerhin wieder mit dabei, bei den Trendsettern.