Bisher machte Lars Brzoska nur Andeutungen. So kündigte der neue Chef von Jungheinrich an, die Mietflotte aus Gabelstaplern und Flurförderzeugen wie Hubwagen altern zu lassen. Oder er erklärte, Rendite und Cashgenerierung wieder stärker in den Fokus zu rücken. Bislang aber sind die Hinweise auf die neue Firmenstrategie 2025 in den Wirren der Corona-Krise untergegangen.

In Europa brach die Nachfrage in der Branche im April um 40, im Mai um 32 Prozent ein. Die Hamburger zogen ihre Prognose zurück, während bereits der erste Ausblick von sinkenden Umsätzen und Einnahmen ausgegangen war. Dass die Hanseaten ihr strategisches Umsatzziel ein Jahr früher erreicht hatten als geplant, galt da nur als ein schwacher Trost. Bis 2020 wollte Jungheinrich vier Milliarden Euro umsetzen - bereits 2019 waren es 4,07 Milliarden Euro.

Mit dem eingestellten Ziel aber dürfte bei dem Familienunternehmen eine Entwicklung zu Ende gehen, die an der Börse zuletzt immer weniger ankam. Um seine Wachstumsambitionen umzusetzen, hatte der Hersteller von Gabelstaplern, Hubfahrzeugen und Lagersystemen stets viel investiert. Das meiste Geld floss laut der Investmentbank Warburg in den Ausbau und die Modernisierung der eigenen Mietflotte. Wegen der hohen Ausgaben aber hinkte das Ergebniswachstum den Umsätzen stets etwas hinterher.

Auch weil die Lücke ab 2018 immer größer wurde (siehe Grafik), geht der Kurs seither zurück. Doch laut den Norddeutschen ist Größe in ihrem Geschäft ein entscheidender Vorteil.

Profitables Servicegeschäft

Ein Grund: Mehr Fahrzeuge bedeuten mehr Wartung. Das lukrative Servicegeschäft läuft daher umso profitabler, je besser die betriebene Flotte das Servicenetz auslastet. Angesichts von über 250 000 Fahrzeugen, die derzeit geleast oder vermietet sind, dürften die Servicetechniker von Jungheinrich gut zu tun haben. Zum Vergleich: In Bestzeiten rollen bei dem Unternehmen etwa 120 000 Flurförderzeuge vom Band, die Wartung stand 2019 für 1,08 Milliarden und das Mietgeschäft für 632 Millionen Euro des Gesamtumsatzes. Fährt der seit dem vergangenen September amtierende Brzoska die Ausgaben für die Mietflotte tatsächlich zurück, würden Abschreibungen und Investitionen deutlich sinken.


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Im vergangenen Jahr wurden 110 Millionen Euro auf die Mietstapler abgeschrieben. Diese Sparpotenzial lässt auch die mittelfristig angestrebte Ebit-Marge von acht Prozent realistischer erscheinen. Weil Jungheinrich eine derartige Gewinnspanne noch nie erreicht hat, glaubt Warburg, dass "die Börse weit davon entfernt ist, eine solche Leistung einzupreisen". Die gesamte Strategie für die Zeit bis 2025 will Brzoska im vierten Quartal dieses Jahres präsentieren.

Gewinnerholung trotz hoher Ausgaben

Vorerst aber dürften fehlende Aufträge zum Ausbau der Mietflotte zusätzlich zur Corona-Krise Umsatz und Auslastung drücken. Hinzu kommt, dass sich Jungheinrich als Pionier in Sachen Elektroantrieb ganz auf Lithium-Ionen-Akkus konzentrieren will. Mit dem Batteriehersteller Triathlon wird dazu das laut Jungheinrich "größte europäische Produktionszentrum für Batterien und Ladesysteme in der Intralogistik" gebaut. Auch in das Geschäft mit selbstfahrenden Staplern dürfte Brzoska weiter Geld stecken, gelten die autonomen Fahrzeuge doch als zukünftiger Wachstumsmarkt. Aktuell liegen die verkauften Stückzahlen jedoch erst im niedrigen dreistelligen Bereich.

Trotz der Investitionen dürfte die Profitabilität 2021 wieder steigen. Nach 2,2 Prozent in diesem Jahr rechnen die Analysten für 2021 im Schnitt mit einer Marge von 4,9 Prozent. Ähnliches war bereits 2010 gelungen. Ein Jahr nach der Finanzkrise lag die Gewinnspanne wieder auf dem Niveau von 2008, obwohl das Marktvolumen noch weit unter den einstigen Höchstwerten war. Damals strich der Konzern jedoch auch Hunderte Stellen, während die Nachfrage wieder anzog. Dieses Mal geht Brzoska nicht von einer schnellen Erholung der Nachfrage aus, sondern rechnet mit einer langen Krise. Allerdings laufen aktuell mehrere Effizienzprogramme, bereits seit dem vergangenen Sommer werden Neueinstellungen teils zurückgestellt und der Bestand an Leiharbeitern abgebaut. Richtet Brzoska Ende des Jahres den Blick über die Corona-Krise hinaus, könnte ihm die Börse deutlich aufmerksamer zuhören.

Auf einen Blick: Jungheinrich