von Martin Blümel

Das nennt man volatil! Der DAX kann sein Niveau von 10 350 Punkten nicht halten, rutscht wieder ab auf 9500. In nur wenigen Tagen. In den USA indes lassen die Kurse zwar auch nach, aber der Rückgang bleibt im Rahmen. Der Dow Jones fällt von 18 000 Punkten auf 17 700 (Stand Redaktionsschluss Dienstag). Was ist da los? An der deutschen Börse ein Minus von acht Prozent, in New York dagegen nur zwei Prozent. Übertreibt man da wieder mal auf dem alten Kontinent?

Fakt ist: Der Juni könnte spannender kaum sein. Da ist die US-Notenbank, die zum Erscheinungstag dieser Ausgabe von BÖRSE ONLINE ihre neuesten Ideen zum Fortgang ihrer Leitzinspolitik verlauten lässt. Dann ist da das Bundesverfassungsgericht, das in der kommenden Woche am 21. Juni darüber befindet, ob die umfangreichen Anleiheaufkäufe der Bundesbank überhaupt rechtmäßig waren. Je nach Befund, könnte es zu einem Kursrutsch bei Euro-Staatsanleihen kommen. Und dann ist da der Entscheid in Großbritannien, ob man noch Teil der Europäischen Union sein will oder doch lieber der Splendid Isolation frönt und den Brexit tatsächlich durchzieht. Wagen die Briten das, dann dürfte die beschriebene Volatilität noch zu keinem Ende kommen.

Ach ja, und als ob all dies nicht reichte, macht man sich inzwischen erneut Sorgen um China und darum, ob denn das verhaltene Wachstum dort sich nicht doch schlimmer auf das globale Gefüge auswirkt als bisher angenommen.

Doch wie schlimm ist die Situation wirklich? Weder Inflations- noch Konjunkturdaten sprechen dafür, dass die US-Notenbankchefin Janet Yellen tatsächlich die Leitzinsen weiter erhöht. Die Stimmung im US-Dienstleistungsbereich ist so mies wie seit zwei Jahren nicht mehr, und zuletzt sah es auch am Arbeitsmarkt nicht mehr so gut aus. Das Problem ist jedoch, dass die US-Notenbank zuletzt alles andere als klar auftrat, was ihren Kurs angeht. Und das ist fatal angesichts der anderen Unsicherheiten, die auf dem Markt lasten!

Mal angenommen, Frau Yellen tut den Börsianern den Gefallen, erhöht den Zins erst wieder im Juli und verspricht, bei den Folgeterminen Vorsicht walten zu lassen, dann könnte man als Börsianer wieder besser planen. Dann wäre es doch sehr wahrscheinlich, dass all das Cash, das gerade geparkt wird, in den Aktienmarkt fließt. Oder zumindest ein Teil davon. Um es zu unterstreichen: Allein in den USA haben Fonds eine Billion Dollar auf der hohen Kante liegen - rekordverdächtig!

Fließt davon nur etwas in den Markt, dann rückt das Allzeithoch wieder näher. Womit wir wieder bei der anfangs erwähnten Diskrepanz wären, welche die Entwicklung an den europäischen und amerikanischen Börsen gerade auszeichnet. Die einen nah dran an neuen Rekorden, die anderen weit davon entfernt. Übertreibt man da also wieder bei DAX, Euro Stoxx und Co?

Die größte Gefahr scheint tatsächlich von einem Brexit auszugehen, da niemand die Folgen einer solchen Aktion vernünftig prognostizieren kann. Was also tun? Vorsichtige Naturen warten mit Investments daher lieber den Tag der Entscheidung ab, den 23. Juni. Bis dahin ist es ja nicht mehr lang. Wer etwas spekulativer eingestellt oder langfristig orientiert ist, der mag angesichts der gewaltig gedrückten Kurse den einen oder anderen selektiven Einstieg wagen. Denn nach wie vor gilt trotz aller Unsicherheiten: Aktien sind nicht wirklich teuer. Gerade im Vergleich zum Anleihemarkt. Lieber sehr gute Dividenden als mickrige Zinsen.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com