Knorr-Bremse startet mit starkem Auftragseingang ins Jahr, doch steigende Restrukturierungskosten und Margendruck bremsen die Gewinnentwicklung. Warum hinter den soliden Zahlen die Risiken zunehmen.

Starkes Neugeschäft – Analystenerwartungen beim Gewinn verfehlt

Der Münchner Bremsenspezialist Knorr-Bremse ist mit einem vollen Auftragsbuch ins Jahr gestartet – doch unter dem Strich bleibt weniger hängen als erhofft. Die vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal 2025 zeigen ein Unternehmen im Spagat: Zwischen starkem Neugeschäft und steigenden Restrukturierungskosten, zwischen Umsatzambitionen und dem harten Zwang zur Marge. Der Umsatz im ersten Quartal lag bei 1,96 Milliarden Euro – leicht unter dem Vorjahreswert von 1,97 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) schrumpfte auf 236 Millionen Euro (Vorjahr: 238,2 Mio. Euro), der Nettogewinn ging auf 143 Millionen Euro zurück – ein Minus von rund 10 Prozent. Damit blieb Knorr-Bremse klar unter den Erwartungen der Analysten, die mehr Dynamik auf der Ergebnisseite prognostiziert hatten.

Der Grund für das schwächere Ergebnis liegt nicht in der Nachfrage – sondern in den Kosten: Rund 23 Millionen Euro buchte der Konzern allein im ersten Quartal für sein laufendes Effizienzprogramm „Boost“ ein. Insgesamt sollen sich die Umbaukosten im Gesamtjahr auf rund 50 Millionen Euro summieren.

Auftragseingang als Lichtblick – besonders stark in Asien und Nordamerika

Positive Signale gibt es dennoch: Der Auftragseingang stieg deutlich auf 2,38 Milliarden Euro, nach 2,11 Milliarden Euro im Vorjahr – ein Plus von rund 13 Prozent. Damit liegt das Unternehmen auch hier über den Schätzungen der Experten.

Treiber waren vor allem Großaufträge aus dem Bahn-Segment in Asien und Nordamerika, während das Geschäft mit Lkw-Bremsen in Europa „sehr stark“ verlief. Der deutliche Zuwachs im Neugeschäft sorgt für Optimismus – vor allem im Hinblick auf das Gesamtjahr.


Free Cashflow überzeugt – dennoch bleibt Druck auf der Marge

Erfreulich ist der Free Cashflow, der ebenfalls im grünen Bereich liegt – ein Indiz für solide Finanzierungsstruktur und funktionierendes Working Capital Management. Doch auch hier bleibt der Druck auf die Margen bestehen. Vor allem die strukturellen Umbauten schlagen ins Kontor – und zeigen, dass Wachstum nicht automatisch Gewinn bedeutet.

Großinvestitionen und politischer Gegenwind

Gleichzeitig investiert der Konzern massiv: 100 Millionen Euro fließen in den Ausbau des Werks Aldersbach im Landkreis Passau – unterstützt durch EU-Fördermittel. Die Region jubelt, von „jahrzehntelanger Arbeitsplatzsicherung“ ist die Rede. Der Ausbau gilt als klares Standortbekenntnis.

Doch auf der anderen Seite zieht sich ein Schatten über die Belegschaft: Der traditionsreiche Berliner Standort Hasse & Wrede, seit 2001 Teil von Knorr-Bremse, soll geschlossen werden. Die Produktion der renommierten Schwingungsdämpfer für Lkw wird nach Tschechien verlagert. Rund 110 Jobs stehen auf der Kippe – obwohl das Werk profitabel arbeitet.

Gewerkschaften schlagen Alarm – Proteste in Berlin und Dresden

Die IG Metall Berlin spricht von „Gutsherrenart“, nennt die Entscheidung „Gier-getrieben“. Schon 2017 hatte Knorr-Bremse versucht, den Standort zu schließen – und war am Widerstand der Belegschaft gescheitert. Jetzt droht ein zweiter Akt.

Auch in Dresden laufen die Wogen hoch: Dort sollen 40 von 60 Arbeitsplätzen ins Ausland verlagert werden – ebenfalls zur Kostensenkung. Der Betriebsrat widerspricht: „Die wirtschaftlichen Zahlen geben das nicht her.“

Wachstum mit Nebenwirkungen – ein Unternehmen zwischen Anspruch und Realität

Doch wie nachhaltig ist das Wachstum, wenn es auf Kosten von Arbeitsplätzen und Standorttreue geht?

Der MDAX-Konzern, der nicht tarifgebunden ist, gerät zusehends in ein Spannungsfeld: Investitionen hier, Schließungen dort. Fortschritt auf dem Papier, aber soziale Rückschritte im Alltag vieler Beschäftigter.

Fazit: Der Auftragseingang bremst nicht – aber die Margen schon

Knorr-Bremse liefert operative Stabilität, wächst im Neugeschäft und investiert in die Zukunft. Doch hinter den Zahlen verbirgt sich eine bittere Realität: Die Marge wackelt, die Belegschaft zittert, und der gesellschaftliche Rückhalt steht auf dem Prüfstand.

Die Aktie legte trotz allem rund zwei Prozent zu – getrieben vom hohen Auftragseingang. Doch die Frage bleibt: Wie lange lässt sich Wachstum gegen die Menschen vor Ort rechnen?

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