In der amerikanischen Notenbank gibt es eine Reihe von Stimmen, die vor einer Abkehr vom Nullzins im September warnen und die Entscheidung bis zum Jahresende hinausschieben wollen. Die Protokolle der jüngsten Zinssitzung zeigen, dass die Notenbanker nicht nur mit Wohlgefallen auf die US-Wirtschaft blicken, sondern auch die im Ausland drohenden Gefahren mit ins Kalkül ziehen. Manche Experten erwarten daher, dass die Zentralbanker um Fed-Chefin Janet Yellen erst im Dezember die Ära des billigen Geldes beenden werden.

Nach Ansicht von BayernLB-Expertin Christiane von Berg tobt in der Fed ein Richtungsstreit, ob der Leitzins im September oder erst im Dezember steigen soll. Trotz der guten Lage am US-Arbeitsmarkt hätten die Sorgen vor den Auswirkungen der Griechenland-Krise und des Kursrutsches an Chinas Börsen schließlich in der Debatte den Ausschlag dafür gegeben, dass die Notenbanker eher auf Zeit spielen. "Deshalb erwarten wir die erste Leitzinsanhebung erst für Dezember."

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TENDENZ ZUM ZÖGERN



Auch ein Händler, der anonym bleiben möchte, sieht eine Tendenz zum Zögern in der Fed: "Es gibt mehr Stimmen, die die Zinswende hinausschieben. Das war schon zu vermuten, weil die US-Daten schwächeln." Zwar kommt in den USA Vollbeschäftigung in Sicht, doch hatte der jüngste Arbeitsmarktbericht auch seine Schattenseiten. So stagnierten die durchschnittlichen Wochenlöhne zum Vormonat. Diese Zahlen deuten somit nicht auf einen steigenden Inflationsdruck hin. Genau diesen wünscht sich die Fed aber, die von der angestrebten Teuerungsrate von 2,0 Prozent zuletzt noch ein gutes Stück entfernt war.

Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner erwartet, dass die Fed zunächst die kommenden Arbeitsmarktberichte genau unter die Lupe nehmen wird, bevor sie den Schalter umlegt: "Wenn sich dann weiter kein Lohndruck abzeichnet, dürfte die Notenbank noch länger zuwarten." Der US-Experte rechnet zwar weiter damit, dass die Entscheidung im September fallen wird. Doch das Griechen-Drama und die Börsenturbulenzen im Reich der Mitte könnten noch zum Umdenken führen: "Wenn es in China und Europa gleichzeitig rumpeln sollte, würde das für eine Verschiebung der Zinsanhebung sprechen." Doch an Chinas Börsen war nach turbulenten Wochen zuletzt wieder etwas Ruhe eingekehrt, während das Hellas-Schuldendrama auf seinen womöglich letzten Akt zusteuert.

Für Ökonom Heiko Peters von der Deutschen Bank ist der September-Termin für die Zinserhöhung daher nicht in Stein gemeißelt: "Das ist zwar unser Basis-Szenario. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gestiegen, dass es später sein könnte." Der Leitzins liegt bereits seit dem Höhepunkt der Welt-Finanzkrise Ende 2008 auf dem Rekordtief von null bis 0,25 Prozent. Die Notenbank dürfe daher den geeigneten Zeitpunkt nicht verpassen, warnte Fed-Vize Stanley Fischer jüngst. Hellas-Krise hin oder her: Die Zinswende wird also wohl noch in diesem Jahr kommen.

Reuters