Inhaber fondsgebundener und anderer kapitalmarktnaher Lebensversicherungen bekommen die Folgen der niedrigen Zinsen zu spüren. Marktführer Allianz Leben hat die Mindesthöhe künftiger Renten gekürzt, die er den Käufern dieser Policen in früheren Jahren versprochen hatte. Nach Firmenangaben sind 750 000 Policen betroffen, die garantierte Rente sinkt um jeweils etwa neun Prozent.
Kunden anderer Anbieter müssen Ähnliches fürchten. Denn die Allianz ist oft nur die Spitze des Eisbergs - zuletzt 2017, als der Konzern schon einmal die Mindesthöhe absenkte und im Nachgang dasselbe bei weiteren Anbietern bekannt wurde.
Ein Allianz-Sprecher erklärte, man habe nach der vorgeschriebenen Überprüfung durch einen Treuhänder den sogenannten Rentenfaktor gekürzt. Der Wert ist dafür maßgeblich, wie hoch die monatliche Rente mindestens ausfällt, wenn sich der Kunde am Ende der Ansparphase dafür und nicht für eine sofortige Auszahlung der Police entscheidet. Die Kürzung betrifft Verträge aus den Jahren 2001 bis 2013, für die noch keine Renten fließen. Wie hoch die tatsächliche Rente ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab.
Nach Angaben des Sprechers müsste die Allianz ohne diese Kürzung die Beiträge verstärkt in Staatsanleihen oder andere schlecht bis negativ verzinste Anlagen investieren. Die meisten Konkurrenten stehen vor demselben Problem. €uro am Sonntag hat Stichproben unter den Marktführern gemacht, ob sie der Allianz folgen werden.
Die R + V lehnte einen Kommentar trotz mehrfacher Nachfrage ab. Die Nummer 2 der Branche hatte 2017 parallel zur Allianz gesenkt. Eine Sprecherin von Zurich Deutscher Herold - die Versicherung war damals ebenfalls mit von der Partie - erklärte: "Wir planen aktuell keine Kürzungen." Und ein Sprecher von Ergo sagte: "Es gibt aktuell keine Planungen, die Rentenfaktoren anzupassen."
Es gibt etwa 20 Millionen Verträge, bei denen solche Rentenfaktoren wichtig sind. Etwa bei sogenannten Indexpolicen, auf die die Branche verstärkt setzt. Hier können Kunden an der Entwicklung eines oder mehrerer Indizes teilhaben. Generell gilt: Insbesondere bei älteren Kontrakten ist eine Anpassung über einen Treuhänder rechtlich möglich, wie sie jetzt die Allianz vollzogen hat. Bei Policen neueren Datums fehlt oft eine solche Treuhänderklausel, der Rentenfaktor ist dort also fix.
Auch andere Zusagen bröckeln seit Jahren, etwa der gesetzliche Garantiezins (derzeit 0,9 Prozent). Viele Anbieter verzichten sogar bereits komplett auf Policen mit Garantiezins. Auch die komplette Beitragsgarantie (hier ist die Auszahlung aller Prämien zu Vertragsende fest zugesagt) ist ins Rutschen gekommen. Dabei marschiert die Allianz ebenfalls voran und hat die Beitragsgarantie Anfang 2021 abgeschafft.