Solch komplizierte Aufgaben haben in Griechenland Tradition, wo schon vor über 2500 Jahren die Quadratur des Kreises versucht wurde. In dem zähen Ringen geht es längst nicht mehr nur um das bis Ende Juni laufende Hilfsprogramm, sondern auch um die Zeit danach. Nach monatelangem Ringen in der Euro-Zone könnten sich aber einige Variablen bald klären.

So zeichnet sich ab, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) als einer der größten Gläubiger des Landes zwar mit an Bord bleibt, sich aber voraussichtlich nicht mit weiteren Milliarden in ein mögliches drittes Hilfspaket einbringen würde. Stattdessen könnte der Euro-Stabilisierungsfonds ESM ins Zentrum rücken. Als Umfang für ein drittes Paket wurden Summen um 50 Milliarden Euro genannt, die sich aus künftigen Rückzahlungsverpflichtungen der Griechen ergeben. Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn die Griechen Reformen anpacken, was trotz des erneuten Brüsseler Krisentreffens in der Nacht zum Donnerstag noch immer nicht entschieden ist.

Als sicher kann gelten, dass den Griechen eher früher als später das Geld ausgeht. Abgeschnitten vom Kapitalmarkt und ohne weitere Hilfe der Euro-Partner dürften spätestens Ende Juni die Kassen leer sein. In diesem Monat sind Rückzahlungen an den IWF von 1,6 Milliarden Euro in vier Tranchen fällig. Im Umfeld der Verhandlungen wird erwartet, dass die Regierung das Geld noch zusammenkratzen kann.

Richtig dicke kommt es für die Griechen aber im Juli, wenn 3,5 Milliarden Euro zur Tilgung einer Anleihe fällig werden, die bei der EZB liegt. Ende Juni läuft außerdem das jetzige zweite Hilfsprogramm aus: Ohne Einigung über die Reformauflagen würde dessen letzte Tranche von 7,2 Milliarden Euro verfallen.

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WELCHE ROLLE DER IWF SPIELEN KANN



Hinter den Kulissen kristallisiert sich nun ein Lösungsweg heraus, der allerdings einige ungewisse Abzweigungen hat. So räumte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker In der "Süddeutschen Zeitung" ein, dass sich die Rolle des IWF wohl verändern wird. Zuvor hatte IWF-Chefin Christine Lagarde bereits in der "FAZ" durchblicken lassen, dass sie das Engagement des IWF beim Euro-Mitglied Griechenland zurückfahren will, das wirklich bedürftigen IWF-Mitgliedsländern kaum noch vermittelbar ist.

An der Kontrolle der Reformauflagen würde der IWF dennoch beteiligt bleiben, schließlich erhält er noch etliche Milliarden Euro aus Athen zurück. Eine Beteiligung des Fonds bleibt außerdem wichtig für die deutsche Debatte, denn in der immer skeptischeren Unions-Fraktion gilt der IWF als Garant für ein solides Reformkonzept. Rückt er aber etwas in den Hintergrund, könnte das den Europäern eine Lösung der Krise erleichtern.

Im nächsten Schritt öffnen sich mehrere Varianten. Die erste: Es steht bis Ende Juni eine Einigung über die Entsperrung der letzten Hilfs-Tranche und womöglich sogar über die Grundzüge eines dritten Hilfsprogramms. Gelingt das nicht oder wird die Zeit zur Umsetzung der Reformen zu knapp, müsste das zweite Programm verlängert werden, wohl um drei Monate. "Die Länder der Eurozone und die EZB haben die technischen und finanziellen Möglichkeiten für eine Überbrückung dieser Periode bis zu einer umfassenden Vereinbarung", sagte Lagarde dazu. Für sie ist dieses Szenario auch deshalb leichter zu bewältigen, weil das IWF-Programm ohnehin bis 2016 läuft. Im Umfeld der Verhandlungen heißt es, mit politischem Willen sei eine Verlängerung möglich.

Wie diese Vereinbarung aussehen könnte, ist allerdings noch unklar, denn in den technischen Gesprächen hakt es noch gewaltig: Die Themen Arbeitsmarkt und Rente sind ungeachtet der Krisentreffen in Berlin und Brüssel in dieser Woche weiter ungelöst. Bisher ist nur eine Annäherung beim Thema Primärüberschuss - also dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen - bekannt. Tsipras könnte den gordischen Knoten womöglich mit Hilfe eines Referendums lösen, für das durch eine Programmverlängerung Zeit freigeschaufelt wäre.

Dieses Referendum müsste nach Meinung von Verantwortlichen in Berlin und Brüssel aber eher auf den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone und weniger auf die unbeliebten Reformen abzielen, um die Griechen zu einer Zustimmung zu bringen. In Teilen der Syriza-Partei war zuletzt auch die Forderung nach Neuwahlen aufgekommen, falls die Regierung in Athen zu Zusagen gezwungen werde sollte, die ihren Wahlversprechen zuwider läuft. Sowohl Finanzminister Yanis Varoufakis als auch Oppositionsführer Antonis Samaras lehnen die Idee von Neuwahlen aber ab.

Dass ein drittes Programm schon aufgelegt wird, wenn das aktuelle noch läuft, ist rechtlich möglich. Allerdings bleibt fraglich, ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit der Zusage weiterer Milliarden auf viel Gegenliebe im Bundestag stoßen würde, wenn Athen nicht einmal die vorherigen Auflagen erfüllt hat.

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DIE POLITISCHE LÖSUNG



"Am Ende wird es eine politische Entscheidung geben zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und EZB-Präsident Mario Draghi", erwartet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Möglicherweise treibt Tsipras auch mit Blick auf seine schwierige innerparteiliche Lage den politischen Poker auf die Spitze und lässt einen der vier IWF-Rückzahlungstermine in diesem Monat platzen.

Krämer verweist darauf, dass der IWF und der Euro-Rettungsschirm EFSF in dem Fall nicht automatisch gezwungen wären, alle anderen Kredite fällig zu stellen, oder die EZB den griechischen Banken den Geldhahn zudrehen müsste. Tsipras könnte die Dramatik der Situation aber nutzen, um die Verfechter einer harten Anti-Austeritäts-Linie in seiner Partei vor die finale Entscheidung zu stellen, ihn zu unterstützen. Sobald der Zahlungsausfall aber erst einmal festgestellt ist, wird es auch deshalb eng für Tsipras, weil die Parlamente in anderen Euro-Ländern zögern dürften, Steuergelder an ein Land zu vergeben, das gerade in die Pleite gerutscht ist.

An dieser Stelle liegt das Hauptproblem: Die Gleichung kann nur aufgehen, wenn die Griechen mitmachen. So hat Tsipras immer wieder betont, dass er kein drittes Hilfspaket will, das an Reformauflagen geknüpft wird. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, es so kurz wie möglich zu halten. Damit würde der griechischen Regierung ermöglicht, ihre eigenen Maßnahmen zu wählen, um Wachstum zu generieren und Schulden abzubauen. Letztlich geht es aber um die Frage, ob sich Tsipras als Staatsmann erweist und das Wohl seines Landes über seine politische Zukunft zu stellen bereit ist - und ob er seine Truppen dann auch hinter sich hat.

Hinzu kommt eine Variable, die extrem schwer zu kalkulieren ist: der Finanzmarkt. Wenn die Investoren die Nerven verlieren und wie 2012 die Gefahr droht, dass auch andere Euro-Länder vom Kapitalmarkt abgeschnitten werden, könnte die politische Debatte eine völlig neue dramatische Wendung nehmen - Ausgang ungewiss.