Einen Monat nach Amtsantritt beerdigt der neue Lufthansa-Chef Carsten Spohr die Gewinnziele des umstrittenen Sanierungsprogramms. Grund sind die Belastungen durch den Pilotenstreik und vor allem ein härterer Preiskampf in Europa und auf den lukrativen Langstrecken nach Amerika. Der Vorstand will beim Konzernumbau als Antwort auch auf die zunehmende Konkurrenz staatlicher Airlines aus der Golfregion jetzt noch mehr Gas geben. Die Aktie der Kranich-Airline verlor 15 Prozent - das ist der größte Tagesverlust seit den Anschlägen vom 11. September 2001.

Der operative Gewinn werde in diesem Jahr nur noch eine Milliarde Euro erreichen, teilte Europas größte Fluggesellschaft am Mittwoch mit. Bislang waren hier bis zu 1,5 Milliarden Euro erwartet worden. Damit sei das Ziel, im nächsten Jahr einen operativen Gewinn von 2,65 Milliarden Euro einzufliegen, nicht mehr möglich. Nun werden zwei Milliarden Euro angepeilt.

Das Eingeständnis ist ein herber Schlag für die Lufthansa-Spitze. Ex-Chef Christoph Franz hatte dem Unternehmen vor zwei Jahren eine Rosskur verordnet, um das Gewinnziel bis 2015 zu erreichen. Da unter anderem viel gespart wird, Mitarbeiter in günstigere Töchter ausgelagert werden und 3500 Jobs wegfallen, rebelliert die Belegschaft bis heute - derzeit verhandeln etwa die Piloten über einen neuen Tarifvertrag. Auch Spohr hat das Programm durchgeboxt - vor seinem Wechsel in das Cockpit der Airline Anfang Mai leitete er das umsatzstarke Passagiergeschäft.

KURZLEBIGE PROGNOSEN

Pikant an der Gewinn-Revision ist, dass die Lufthansa die Vorhersagen vor gut vier Wochen noch bekräftigte. Seinerzeit habe der Konzern aber bereits betont, dass es Risiken im Geschäft gebe, die sich nun leider konkretisiert hätten, sagte Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne. "Wir hatten gehofft, dass die Preisschwäche nur vorübergehend ist." Aber der negative Trend habe sich im Mai fortgesetzt. Vor allem das Europa- und Amerikageschäft der Fluglinie leide unter steigenden Überkapazitäten, die auf diesen Strecken zu Preisrückgängen führten.

Hauptgrund ist hier der Erfolg rasant wachsender Rivalen vom Persischen Golf wie Emirates, Etihad und Qatar Airways sowie Billig-Konkurrenten wie Ryanair oder Easyjet. Da auch das Frachtgeschäft schwächele, summierten sich die Effekte auf einen Ergebnisausfall von 260 Millionen Euro in diesem Jahr. Zudem belasteten der Pilotenstreik sowie Wertberichtigungen auf Währungsforderungen das Jahresergebnis mit jeweils 60 Millionen Euro.

Um gegenzusteuern, stellt die Traditionsfluglinie alles auf den Prüfstand. Unter anderem werde der Konzern den Winterflugplan stark ausdünnen, sagte Menne. Ähnliches sei auch für die Verbindungen im nächsten Jahr möglich. "Wir arbeiten nicht nur an kurzfristigen Verbesserungen, sondern auch an strukturellen Maßnahmen." Konkretes werde Spohr im Juli vorstellen. Die Ausgaben des Konzerns sollten möglicherweise gekürzt und Flugzeugbestellungen verschoben oder storniert werden. Derzeit hat die Lufthansa 261 Flieger mit einem Listenpreis von 32 Milliarden Euro geordert. Es ist die größte Erneuerung der Flotte in der Geschichte der Kranich-Linie und lange überfällig, da die Flugzeuge im Schnitt älter sind als die der arabischen Rivalen Emirates, Etihad oder Qatar Airways. Die rasant wachsenden Airlines sind in Staatsbesitz und verfügen über volle Kassen, die sie gerne für gigantische Flugzeug-Ordern nutzen.

Emirates, Branchenprimus des Golf-Trios, annullierte nun allerdings seine Bestellung von 70 Airbus -A350. Die Airline aus dem Emirat Dubai habe die Stornierung mit einer Überprüfung des Flottenbedarfs begründet, erklärte Airbus. Emirates schielt seit längerem vor allem auf den größeren Jumbo A380. Von dem Airbus-Prestigeprodukt hatte die Fluggesellschaft im November 50 zusätzliche Modelle bestellt. Als Zeichen für ein Abschwächen des Emirates-Wachstums werten Experten die A350-Abbestellung daher nicht.

Reuters

Einschätzung der Redaktion:

Schwerer als die Gewinnwarnung für 2014 wirkt die Prognosesenkung für 2015. Das kommende Jahr war Fixpunkt für Turnaroundspekulationen auf die Aktie. Allerdings hatten schon zuvor viele Analysten Zweifel, dass die Ziele erreicht werden. Zudem ist es nicht unüblich, dass neue Vorstands-Chefs zu Beginn ihrer Amtszeit reinen Tisch machen. Investierte Anleger sollten sich mit einem engen Stoppkurs absichern. Erste Auffanglinie ist das Februar-Tief bei 16,70 Euro, das unmittelbar nach der Gewinnwarnung bereits getestet wurde. Etwas tiefer ist die nächste Auffanglinie knapp unter 16 Euro. Beobachten.

Sven Parplies