"In den nächsten Monaten wird es für uns keine normale Geschäftsentwicklung geben können." Die Reisebeschränkungen und der Nachfrageeinbruch durch Corona habe dramatische Folgen. Doch könne die umsatzstärkste europäische Airline-Gruppe dank ihres Finanzpolsters, drastischer Kostensenkungen und letztlich auch mit Finanzhilfe des Staates die Krise überstehen.

Wann sich der Luftverkehr von seinem Zusammenbruch erholen könne, sei derzeit nicht abzusehen, erklärte Spohr. Die Branche werde auch nach einem Abebben der Pandemie nur langsam wieder hochfahren. Der Lufthansa-Chef warnte zudem vor einer Rezession der Weltwirtschaft. Der Luftverkehr werde erfahrungsgemäß doppelt so stark schrumpfen. "Wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die Welt in unserer Branche nach der Krise eine andere sein wird", sagte Spohr. Die Lufthansa werde "strategische Opportunitäten" und auch "unangenehme Themen" angehen. "Wir werden nicht wie gewohnt weiterfliegen." Es sei damit zu rechnen, dass es weniger Geschäftsreisen geben werde.

Der Flugplan sei mittlerweile so ausgedünnt, dass er ihn auswendig aufsagen könne, sagte Spohr. In Europa sind es nur noch wenige Metropolen, die Lufthansa und die Töchter Swiss und Eurowings noch anfliegen. Austrian Airlines und Brussels Airlines stellen den Betrieb für einige Wochen ganz ein. Montreal, Bangkok und Johannesburg gehören noch zu den wenigen Fernzielen im Flugplan. Einziger Lichtblick sind die Frachtflüge von Lufthansa Cargo. Dort steige die Nachfrage, weil der Lkw-Verkehr durch die Grenzkontrollen gebremst werde. Aber dieser Effekt sei vernachlässigbar angesichts eines Umsatzausfalls von fast drei Milliarden Euro allein im März.

KURZARBEIT UND WENIGER MANAGERGEHALT


Die Lufthansa senkt die Kosten drastisch in kurzer Zeit. Rund 60 Prozent seien variable Kosten, etwa durch Treibstoff oder Flughafengebühren, die umgehend wegfielen, erklärte Finanzchef Ulrik Svensson. Die übrigen festen Kosten sollten um ein Drittel gesenkt werden beim Personal, bei Wartung oder Leasing. Die Investitionen von ursprünglich gedachten drei Milliarden Euro werden außerdem weitgehend gestrichen. Eigentlich sollte alle zehn Tage ein neues Flugzeug von Boeing oder Airbus ankommen. Jetzt führe die Lufthansa so wie vermutlich alle anderen Besteller schwierige Verhandlungen mit den Flugzeugbauern, das zu verschieben. Dennoch werde der Konzern in diesem Jahr rote Zahlen schreiben.

"Wir fokussieren uns darauf, die Liquidität im Hause zu halten und unsere rund 140.000 Mitarbeiter möglichst an Bord zu halten", sagte Spohr. Zehntausende Beschäftigte der Lufthansa gehen demnächst in Kurzarbeit - für den ersten Schub von 31.000 ist der Lohnausgleich durch die Bundesarbeitsagentur schon beantragt. Mit den Gewerkschaften von Crews und Bodenpersonal - UFO, Verdi und Vereinigung Cockpit - werde über Details noch verhandelt. Bei Kurzarbeit werden 60 bis 67 Prozent des Lohnes durch die Beitragszahler der Sozialversicherung übernommen. Je geringer die Ersatzzahlung der Lufthansa für den Lohnverlust ausfalle, um so weniger Mitarbeiter müssten ihren Job verlieren. Die Grundgehälter des Vorstands werden um 20 Prozent gekürzt, Boni werden gestrichen.

"Die Lufthansa Group ist finanziell gut gerüstet, um auch einer außergewöhnlichen Krisensituation wie der jetzigen zu begegnen", erklärte der Dax-Konzern. Die Finanzverschuldung der Airline beläuft sich auf 4,3 Milliarden Euro. In gleicher Höhe verfügt die Lufthansa aktuell über liquide Mittel. Zusätzlich gebe es eine Kreditlinie über 800 Millionen Euro. "Weitere Mittelaufnahmen befinden sich aktuell in Umsetzung."

STAATSHILFE JA, VERSTAATLICHUNG NEIN


Die Lufthansa sei mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Gespräch über staatliche Hilfe, habe aber noch keinen Antrag gestellt, weil sie derzeit noch nicht notwendig sei, erklärte Spohr. Auch an den anderen Heimatmärkten der Gruppe - in Österreich, der Schweiz und in Belgien - seien die Lufthansa-Airlines an die Regierungen herangetreten. Die belgische Tochter Brussels Airlines hat den Staat bereits um Finanzhilfe gebeten, nach Medienberichten um 200 Millionen Euro. Der internationale Airline-Verband IATA warnte vor Pleiten in der Luftfahrt. Die Fluggesellschaften weltweit bräuchten voraussichtlich 150 bis 200 Milliarden Dollar an staatlichen Finanzspritzen.

Unterdessen hat die Lufthansa einen neuen Großaktionär: Der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele ist Anfang März mit gut fünf Prozent bei der Fluglinie eingestiegen, wie aus Pflichtmitteilungen hervorgeht, über die das "Handelsblatt" zuerst berichtete. Thiele ist über seine Investmentgesellschaft KB Holding Großaktionär bei Vossloh und Knorr Bremse . Vor einer feindlichen Übernahme durch ausländische Investoren der Lufthansa mit ihrem stark eingebrochenen Börsenwert ist Spohr unterdessen nicht bang. Gesetzlich geregelt ist, dass die Mehrheit der Airline in Hand deutscher Anleger sein muss. Bei einer unfreundlichen Übernahme wäre er schnell im Gespräch mit der Bundesregierung, wie das zu verhindern wäre, sagte Spohr. Eine Verstaatlichung komme aber nicht in Frage.

rtr