Wir hatten es kommen sehen: Kaum ist das Thema Handelskrieg aus den Schlagzeilen verschwunden, geht es an der Börse wieder um Substanzielles. Unternehmensgewinne und die Richtung der Geldpolitik, das sind die Faktoren, die es zu beachten gilt.
Und Ersteres ist weiterhin erfreulich. Zwar ist die Quartalsberichtssaison noch recht jung, und allzu viele Zahlen sind noch nicht veröffentlicht worden, jedoch stimmt die Tendenz: Rund 80 Prozent der US-Unternehmen haben bislang die Gewinn-erwartungen übertroffen und 70 Prozent die Umsatzprognosen. Das sorgt für eine gewisse Kauflaune an den Märkten.
Mit ansonsten nur wenigen makroökonomisch relevanten Ereignissen tritt also die Mikroökonomie wieder in den Vordergrund. In den USA fielen dabei die großen Banken mit einem deutlichen Gewinnanstieg positiv auf. Auch die Technologiewerte überzeugten bislang, sogar die zuletzt arg gebeutelten FANG-Aktien: Facebook, Amazon, Netflix und Google. Hinzu kamen noch News anderer US-Schwergewichte wie Johnson & Johnson oder American Express, die alle zufriedenstellende Ergebnisse präsentierten. Allerdings ist auch klar, dass die Unternehmen unbedingt liefern müssen. Die positiven Effekte der Steuerreform sind doch zumindest schon teilweise in den Kursen enthalten.
In Europa waren die Meldungen breiter gestreut, jedoch insgesamt ebenfalls erfreulich. Danone übertraf beispielsweise ebenso wie ASML deutlich die Erwartungen, Nestlé und Pernod Ricard vermeldeten ebenfalls gute Zahlen.
Dennoch sind die Umstände im Jahr 2018 auch weiterhin eine Herausforderung, weit mehr als das fast schon reibungslose Umfeld im vergangenen Jahr. Vor allem das Thema Inflation wird wichtig bleiben und das damit verbundene Zinsrisiko. Dass die Renditen im Anleihebereich zu Beginn des Jahres so schnell und deutlich gestiegen sind, zeigt die große Nervosität an den Märkten. Zuletzt waren es die gestiegenen Rohstoffpreise, die für eine gewisse Furcht vor einem vielleicht stärkeren Inflationsanstieg sorgten. Allerdings nur temporär - auch hier scheint sich die Lage zu beruhigen. Für die Aktienmärkte ist das gut: Nach der Konsolidierung sind die Bewertungen wieder etwas günstiger, die Überhitzung ist abgebaut, und die Kombination aus mehr Rationalität und soliden Unternehmensgewinnen ist eigentlich ein gutes Omen für das zweite Quartal.
Im Auge behalten muss man aber weiterhin die Notenbanken. Am Erscheinungstag dieser Ausgabe findet eine Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) statt. Erwartet wird, dass sich Präsident Mario Draghi von den Inflationssorgen nicht beeindrucken lässt und die Notenbank ihren expansiven Kurs beibehält. Als Hauptargument dürfte die mit 1,0 Prozent nach wie vor relativ niedrige Kerninflationsrate in der Eurozone dienen. Aber auch der relativ stabile Euro spricht aus EZB-Sicht dafür, nicht vorzeitig restriktiv zu werden und die Dinge einfach so zu belassen, wie sie aktuell sind.
So weit, so gut. Allerdings ist da noch die Sache mit der Saisonalität: Normalerweise stehen nun die für Aktien tendenziell schwächeren Sommermonate an. Doch es gibt gute Gründe für die Annahme, dass 2018 nicht nach diesem Muster verläuft. Ein Blick in die Statistik zeigt nämlich, dass ein negativer Jahresstart an den Aktienmärkten tendenziell dazu führte, dass sich die Börsen in den Sommermonaten besser entwickelten als nach einem positiven Jahresstart.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com