Auch die zunehmend ungerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen könne sich zu einem explosiven Gemisch entwickeln. In New York würden die Superreichen ihr Vermögen nur noch in Units (à 100 Millionen Dollar) messen, während der durchschnittliche Arbeitnehmer in München 46 Prozent seines Einkommens für die Wohnung ausgeben müsse. "Das ist nicht gesund", findet Otte, der einen seit nunmehr fast 40 Jahren anhaltenden Trend zur Ungleichheit ausgemacht hat. In den 1920er Jahren habe das Einkommensgefälle einen historischen Höhepunkt erreicht. Nach dem Crash von 1929 hätten sich Arm und Reich 50 Jahre lang immer mehr angenähert. "Ab 1980 hat sich das schlagartig geändert, die Mittelschicht löst sich auf".
Noch mehr Sorge bereitet ihm allerdings die ausufernde Verschuldung sowohl von Staaten als auch Privathaushalten und Unternehmen. "US-Unternehmen sind so hoch verschuldet wie noch nie", sagte er, "aber die aufgenommenen Milliarden wurden nicht ins operative Geschäft investiert, sondern in Aktienrückkäufe". Kaum besser sehe es in Europa aus, wo sich vor allem der Bankensektor in den nächsten Jahren refinanzieren müsse. Für den Börsenexperten ist klar, dass einige Institute dabei auf der Strecke bleiben werden - vor allem solche, deren Cost-Income-Ratio über eins liegt, die also mehr Geld ausgeben, als sie verdienen.
Angesichts eines neuen Besucherrekords mit weit über 5000 Finanzinteressierten im Münchner MOC musste der Saal, in dem Otte referierte, wegen Überfüllung geschlossen werden. Immerhin für diejenigen, die sich frühzeitig einen Platz gesichert hatten, könnte es ein lohnenswerter Besuch gewesen sein. Denn Otte empfahl ein einfaches Rezept, wie Anleger sich gegen Krisen wappnen können.
Selbst, wenn es zu Massenpleiten und einem Absturz der Börsen komme, könnten Anleger mit der richtigen Strategie die Folgen abmildern und langfristig sogar gewinnbringend nutzen. Otte rät deshalb zum Aufbau von Cash, was er auch in seinen eigenen Fonds PI Global Value und Max Otte Vermögensbildungsfonds praktiziert. "Wir sind seit März 2009 Vollgas gefahren, aber jetzt treten wir auf die Bremse", erklärte der promovierte Volkswirt und zeigte anhand eines Schaubildes auf, wie sich ein Portfolio mit 25 oder 40 Prozent Cash während der letzten Finanzkrise entwickelt hätte.
Während voll investierte Anleger zwischen Anfang 2008 und Anfang 2009 mit DAX-ETFs fast 44 Prozent Verlust verbuchten, kamen Investoren mit hohen Cash-Beständen deutlich glimpflicher davon. Noch frappierender aber: Wer 25 Prozent seines Depotvolumens in Cash hielt und am 1. Januar 2009 wieder investierte, hatte sämtliche Verluste bereits nach zwei Jahren wieder wettgemacht. Bei einer Cashquote von 40 Prozent - ebenfalls am 1. Januar 2009 reinvestiert - konnten sich Anleger zu Jahresbeginn 2011 bereits über ein Plus von acht Prozent freuen, während der DAX noch 13 Prozent niedriger notierte als vor der Krise.
Wer zusätzlich zum Aufbau von Liquidität nur qualitativ hochwertige, moderat bewertete Aktien besitze, werde noch besser abschneiden, so Otte, der auch in seinen Fonds gerade dabei ist, teure Papiere aus den Portfolios zu eliminieren. Als konkrete Beispiele nannte er den französischen Luxuskonzern LVMH und den italienischen Kaffeemaschinenhersteller De Longhi. Beide Unternehmen würden mit "gutem Geschäftsmodell, gutem Management und guter Bilanz" überzeugen, aktuell jedoch nicht mit einem guten Preis. "Wenn Sie in den Börsenmixer fallen, werden sie aber interessant für uns", betonte der Referent. Man müsse geduldig warten können wie ein Jäger und im entscheidenden Moment mutig zupacken, denn "in der Krise wird die Saat für den Aufschwung gelegt". Moderat bewertete Aktien, die man sich jetzt bereits anschauen könne, seien Hewlett Packard als Profiteur des Durchbruchs der 3D-Drucker und United Internet, wo die jüngste Korrektur zu heftig ausgefallen sei.