Übernahmegefahr und Kostendisziplin: Zwei Punkte, die die Aktie der Commerzbank antreiben. Die Bewertung scheint noch nicht ausgereizt zu sein. Das könnte für Anleger jetzt noch drin sein.
Wenn im kommenden Jahr geeignete Persönlichkeiten für den Titel „Manager des Jahres“ gesucht werden, wäre
es ziemlich verwunderlich, wenn Bettina Orlopp nicht ganz oben auf der Liste stünde. Seit viertem Quartal 2024 im Amt, hat sie das Kunststück geschafft, die Commerzbank erst einmal aus der unmittelbaren Übernahmegefahr zu befreien. Gleichzeitig haben auch die Anteilseigner von hohen Kursgewinnen profitiert. Und hält die Entwicklung nach den Plänen Orlopps an, wird der potenzielle Übernehmer Unicredit wohl eher den Kürzeren ziehen, die Aktionäre aber trotzdem profitieren.
Aber der Reihe nach. Die Commerzbank war nach der Lehman-Krise eine Dauerbaustelle. Unmittelbar, bevor die US-Notenbank die Unterstützung von Lehman 2008 verweigerte, wurde der Zusammenschluss mit der Dresdner Bank beschlossen. Anstatt Synergien holte sich die gelbe Bank mehr Probleme in Haus. Der Staat musste rettend eingreifen, avancierte zum größten Aktionär. Zahllose Kapitalerhöhungen folgten, ein gutes Jahrzehnt war die Aktie totes Geld. Und als sich ab 2018 Besserungen andeuteten, rutschte die Bank im Corona-Jahr 2020 wieder in die Verlustzone. Mit Minuszinsen bei der Zentralbank-Refinanzierung fällt das klassische Bankengeschäft, das von der Zinsmarge lebt, naturgemäß sehr schwer.
Überraschendes Commerzbank-Comeback
Allerdings hat die Bank ihre Kostensenkungsmaßnahmen in der Misere eher noch beschleunigt. Als die Zinsen dann 2022 deutlich anzogen, gab es einen doppelten Hebel: Das Zinsergebnis sprang nach oben, die Kosten gingen nach unten. Von einem Nettoverlust um drei Milliarden Euro 2020 wuchs der Ertrag innerhalb von zwei Jahren auf mehr als 1,2 Milliarden Euro. In den kommenden beiden Jahren, also bis 2024, hat sich der Gewinn noch einmal verdoppelt. Weil die Investoren der Dynamik nicht trauten, entwickelte sich die Aktie unterproportional, notierte deutlich unter Buchwert. Und das lockte Unicredit an. Als die Bundesregierung 2024 ihren Anteil von 16,5 auf zwölf Prozent senken wollte, kaufte Unicredit die Tranche und baute den Anteil Richtung zehn Prozent aus. Später wurden Derivate erworben, die der italienischen Großbank Zugriff auf rund 28 Prozent ermöglichten. Die Attacke von Unicredit traf die Commerzbank unvorbereitet. Doch sie reagierte schnell. Bettina Orlopp, vorher Finanzchefin des Finanzkonzerns, übernahm das Zepter und baute eine Verteidigungsstrategie auf.
Unicredit schaut erst mal zu
Bisher mit Erfolg. Unicredit hat von der Zentralbank und der Kartellbehörde zwar die Zustimmung für die Aufstockung bis 30 Prozent erhalten, nachdem die Aktie der Bank nach dem ersten Aktienkauf von Unicredit um rund 100 Prozent gestiegen ist, scheint eine feindliche Übernahme inklusive eines Aufgelds aber nicht mehr unmittelbar attraktiv zu sein. Ein klares Signal: Die Kurs-Buchwert-Relation der Bank hat fast die Marke von eins erreicht. Damit ist die Finanzierung einer Übernahme über die Bilanz der Commerzbank nicht machbar. Zuvor notierte die Bank mit einem deutlichen Abschlag zum Buchwert. Wäre Unicredit zu diesen Konditionen zum Zug gekommen, hätte sie einen zweistelligen Milliardenbetrag als Sonderertrag verbuchen können.
Weil das nicht mehr geht, wird Unicredit erst einmal in Lauerstellung bleiben, vielleicht versuchen, einen Deal mit der neuen Bundesregierung aushandeln zu können. Wie der aussehen könnte? Die Bank kauft die zwölf Prozent, die noch beim Bund liegen, wandelt ihre Derivate in Aktien und macht ein Übernahmeangebot zum Durchschnittskurs, bringt dann ihren Anteil an der Hypovereinsbank ein. Werden etwa die Ergebnisse im ersten Quartal als Maßstab genommen, könnte Unicredit so eine deutliche Mehrheit an Commerzbank erobern, auch wenn bei einer Pflichtofferte wenige Anleger ihre Aktien andienen.
Weil dieses Szenario nicht kurzfristig realisierbar ist, hat die Bank und ihre geschickt agierende Chefin Zeit, um den Deal für die Italiener unattraktiver zu machen und dem Bund eine attraktive Verkaufsmöglichkeit über den Markt zu geben. Der Weg dahin sind die Rezepte, die auch Unicredit bei einer Übernahme anwenden würde: eine konsequente Verschlankung der Commerzbank und eine hohe Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals. Die Zahlen zum ersten Quartal zeigen hier ganz deutlich, dass die Commerzbank schon einen großen Schritt vorangekommen ist. Die Kostenquote des Konzerns ist auf 56 Prozent gefallen.
50 Prozent Langfristpotenzial
Nur zur Einordnung: Vor zwei Jahren Jahr lag sie fast zehn Prozentpunkte höher. Gleichzeitig stieg die Eigenkapitalrendite auf 11,1 Prozent an. Und die Bank ist damit noch nicht auf der Zielgeraden. Im Februar hat das Management bei einem Kapitalmarkttag neue Ziele formuliert. Die Kostenquote soll bis 2028 auf 50 Prozent sinken. Die Bank traut sich zu, dann eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent zu erwirtschaften. Neben den Kostensenkungen kann es auch operativ Rückenwind geben. Die Commerzbank hat einen hohen Marktanteil bei der Mittelstandsfinanzierung.
Wenn nun staatliche Mittel im größeren Umfang in die Betriebe fließen sollen, geht das nicht an der Bank vorbei. Folgendes Szenario: Die Bank kann ihren Gewinn kontinuierlich steigern. Sie hat eine gute Eigenkapitalausstattung, die einen überproportionalen Anstieg der Dividende ermöglichen dürfte. Und neben Dividenden gibt es noch Kurspotenzial. Bei einer Eigenkapitalrendite von 15 Prozent liegt der faire Wert bei einer Kurs-Buchwert-Relation von 1,5. Macht bei aktuellen Buchwerten Kurse Richtung 40 Euro.
Hinweis: Der Artikel wurde aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE übernommen und redaktionell an das Onlineangebot angepasst.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Commerzbank.