Die Fondsmanager aus dem International Equity Team von Morgan Stanley Investment Management, Dirk Hoffmann-Becking und Vladimir Demine, zugleich Leiter ESG Research, sprechen über Investieren in Zeiten von Corona und die Zukunft von Nachhaltigkeit.
€uro am Sonntag: Welchen Einfluss haben Investoren auf eine ESG-konforme Transformation von Unternehmen?
Vladimir Demine: Investoren können Unternehmen beeinflussen, aber nicht über Nacht. Damit es gelingt, muss ein Investor ein langfristiger Anteilseigner und ein großer Anteilseigner sein. Den größten Einfluss können Investoren meiner Meinung nach auf die Führung eines Unternehmens ausüben, auf Vorstand und Aufsichtsrat, die die langfristigen Strategien entwickeln und daher auch die Nachhaltigkeit des Unternehmens vorantreiben können.
Inwiefern?
Demine: Den Prozess können wir als Investoren durch Engagement, durch Active Ownership mitgestalten. Wir können in Hauptversammlungen entsprechend abstimmen. Wir können hinterfragen, wie das nachhaltige Verhalten eines Unternehmens aussehen soll. Das Ganze ist ein Marathon, kein Sprint.
Täuscht es oder verschiebt sich gerade innerhalb von ESG der Schwerpunkt - weg vom E und den Umweltfragen hin zu S und G, also zu den sozialen Aspekten und den Kriterien einer nachhaltigen Unternehmensführung?
Demine: Aktuell steht eindeutig die soziale Komponente der Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Während der Pandemie gibt es gleichermaßen positive wie negative Beispiele dafür, wie Unternehmen mit ihren Mitarbeitern umgehen. Und das wird langfristig die Reputation der Unternehmen - positiv wie negativ - beeinflussen. Wir haben die Reaktionen der gehaltenen Unternehmen verfolgt, insbesondere auf der sozialen Seite. Sie mussten in der Regel keine Arbeitnehmer entlassen, weil ihre Unternehmen ohnehin widerstandsfähig sind.
Wie waren denn die Reaktionen?
Demine: In der Tat haben wir einige sehr positive Reaktionen gesehen, so haben viele unserer Gesundheitsunternehmen Behandlungen und Tests für Covid entwickelt, und in der IT haben wir in nur wenigen Monaten zwei Jahre Fortschritt beim Übergang zu Digital gesehen. Marken von Hygieneprodukten aus dem Basiskonsum liefern inzwischen einen wichtigen Service.
Dirk Hoffmann-Becking: ESG hat durch Corona nichts von seinem Momentum eingebüßt. Ganz im Gegenteil, Nachhaltigkeit hat eine disruptive Kraft. Wie Vladimir gerade sagte, wird die Art und Weise, wie Unternehmen mit den sozialen Fragen umgehen, künftig über ihre Reputation entscheiden. Das führt ganz automatisch dazu, dass soziale Aspekte ein wichtiger Teil der künftigen Unternehmensführung werden. Wenn es sich ein Unternehmen zur Aufgabe gemacht hat, alle Stakeholder fair zu behandeln, dann erfordert das - ausgehend vom Management - eine entsprechende Anpassung der gesamten Organisation.
Wie sieht es mit Druck von oben aus?
Hoffmann-Becking: Auf der Makro-Ebene gibt es zusätzlichen Druck. Mit den Hilfsgeldern der Europäischen Union und der einzelnen Regierungen sollen sich Unternehmen eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell erholen. Daran ist auch die Bedingung geknüpft, dass sie sich in einem nachhaltigen Sinn verändern - in allen drei Bereichen.
Was bedeutet dieser Paradigmenwechsel für Ihre Arbeit ?
Hoffmann-Becking: Es ist nicht so, dass die Corona-Krise ausbrach und wir uns dann erstmals Gedanken darüber gemacht hätten, welche Rolle soziale Fragen und Aspekte der Unternehmensführung im Rahmen von Nachhaltigkeit spielen könnten. Derartige Analysen machen wir seit 20 Jahren konsistent und detailliert. Das S und das G von ESG hatten wir auch vorher schon integriert. Und ich meine wirklich voll integriert. Bei uns ist Nachhaltigkeit nicht einfach ein Add-on, sondern ein fester Bestandteil jeder Stufe des Investmentprozesses. Das zahlt sich gerade jetzt aus.
Dann lassen Sie uns doch konkret über den Global Sustain Fund aus Ihrem Haus sprechen. Was macht den Fonds aus?
Hoffmann-Becking: Der MS INVF Global Sustain Fund investiert weltweit und konzentriert in Aktien von Unternehmen hoher Qualität. Gemanagt wird der Fonds mit der seit vielen Jahren etablierten, in der Praxis erprobten globalen Anlagestrategie des International Equity Teams von Morgan Stanley Investment Management. In Bezug auf Nachhaltigkeit ist der Fonds vor allem für Investoren interessant, die einerseits eine volle Integration von ESG suchen, die andererseits aber bestimmte Branchen ausschließen wollen. Dazu zählen Tabak, Alkohol, Pornografie, Glückspiel, Feuerwaffen, fossile Brennstoffe und Versorger. Der CO2-Fußabdruck unseres Fonds ist extrem klein und aktuell 94 Prozent niedriger als der MSCI World Index pro Million US-Dollar investiertem Kapital. Dies basiert auf den direkten Emissionen des Unternehmens sowie auf den Emissionen, die in den Energieverbrauch der Organisation eingebettet sind.
Und wie messen Sie die Resilienz der Aktien, in die Sie investieren möchten?
Hoffmann-Becking: Die Widerstandsfähigkeit ergibt sich aus mehreren Faktoren. Zum einen müssen es Unternehmen mit einer dominierenden Position in ihren Märkten sein. Sie müssen eher auf immateriellen als materiellen Vermögenswerten aufgebaut sein. Das gibt ihnen Preismacht - auch wenn die Nachfrage mal zurückgeht. Zum Zweiten bedeutet die Tatsache, dass ein Unternehmen vor allem über immaterielle Assets verfügt, dass es einen hohen Re-turn on Operating Capital hat. Es muss nicht gleich sein Tafelsilber verscherbeln, wenn es operativ einmal nicht so gut läuft. Und schließlich generiert ein solches Unternehmen starke Cashflows. Das wiederum bedeutet, dass es einen Teil der Gewinne an die Aktionäre aus- schütten kann und noch genügend übrig hat, um zu wachsen - und zwar auch dann, wenn andere mit dem Rücken zur Wand stehen. Das ist das, was wir unter Resilienz verstehen.
Wie liegen Sie da im Vergleich zum Gesamtmarkt?
Demine: Unsere Hauptkennzahl ist der Return on Operating Capital Employed oder ROOCE. Wie viel Ertrag erwirtschaftet ein Unternehmen mit den operativen Vermögenswerten wie Gebäuden, Maschinen und Kapital? Der ROOCE unseres Fonds liegt derzeit bei rund 50 Prozent, verglichen mit dem MSCI World Index mit nur 16 Prozent. Kennzahl Nummer 2 ist die Bruttomarge, die die Preismacht misst. Hier liegt der Wert des Fonds heute etwa zweimal so hoch wie beim Index. Umgekehrt sind die Investitionsausgaben der Unternehmen im Fonds deutlich niedriger als im Markt. All dies zusammengenommen kann zu einer niedrigeren Nettoverschuldung im Verhältnis zum operativen Gewinn führen. Weniger Leverage, mehr Resilienz.
MS INVF Global Sustain Fund: Aktien aus dem Technologieund Gesundheitssektor machen aktuell über die Hälfte des Gesamtportfolios aus. In regionaler Hinsicht dominieren US-Werte deutlich. Aussichtsreich!