Die Münchener Rück befindet sich am Ende der Ära von Vorstandschef Nikolaus von Bomhard im Rückwärtsgang. Für das laufende Jahr plant der weltgrößte Rückversicherer nur noch mit einem Gewinn von 2,0 Milliarden bis 2,4 Milliarden Euro, wie von Bomhard am Mittwoch in München ankündigte.

2013 hatte er den Gewinn bis auf 3,3 Milliarden Euro getrieben, vergangenes Jahr lag er am Ende mit 2,6 Milliarden deutlich über der Zielmarke. "Wir fühlen uns strategisch gut aufgestellt, aber 2017 wird ein absehbar schwieriges Jahr - schon wieder", sagte von Bomhard, der Ende April nach 13 Jahren für Vorstandsmitglied Joachim Wenning Platz macht.

Der vierte Rückgang in Folge wäre eine Niederlage für den 60-Jährigen, der sein Credo zusammenfasste: "Uns interessiert Größe nicht. Wichtig ist, was hinten rauskommt." Die niedrigen Zinsen und die Folgen des Preiskampfs in der Rückversicherung kosteten die Münchener Rück 2017 allein 200 bis 300 Millionen Euro, sagte Finanzvorstand Jörg Schneider. Die Aktionäre sollen trotzdem weiterhin großzügig bedacht werden. Hohe Dividenden - für 2016 gibt es 8,60 Euro je Aktie - seien auch künftig sicher, und auch den Rückkauf von Aktien für rund eine Milliarde Euro pro Jahr könne man "noch einige Zeit durchhalten", so lange der Konzern die Überschüsse nicht lieber in Wachstum investiere.

Die verhaltene Prognose machte die Münchener-Rück-Aktie trotzdem mit einem Minus von 1,3 Prozent zu einem der großen Verlierer im Leitindex Dax.

Von Bomhard verteidigte die Strategie, sich zurückzuhalten und auf steigende Preise zu hoffen: "Wir schrumpfen lieber noch ein bisschen und warten." Sobald die Lage sich bessere, könne die Münchener Rück angreifen - und die Trendwende sei nah: "Das Wettbewerbsumfeld entspannt sich gerade, wir glauben den Boden bald erreicht zu haben." Denn die kleineren Konkurrenten, die dem Platzhirsch das Leben schwermachen, kämen doppelt unter Druck: Die Zinsen in den USA steigen, so dass sie sich nicht mehr so günstig refinanzieren müssten, und die Schäden nähmen zu, so dass die Auflösung von Rückstellungen ein Ende habe. "Beides wird eine Erhöhung der Disziplin am Markt verstärken", sagte Finanzvorstand Schneider.

VERGEBLICH GEWARTET



Für von Bomhard kommt das zu spät: "Was ich nicht erlebt habe, sind steigende Zinsen", resümierte er seine Amtszeit. Er zog eine selbstkritische Bilanz. "Was ich mir vorgenommen habe, ist mir nicht alles gelungen." Mitten in der Finanzkrise hätten die Staatshilfen für Versicherer einen Zukauf im zweistelligen Milliarden-Volumen vereitelt. "Das wurde uns praktisch aus der Hand geschlagen." Auch sonst seien Übernahmen meist am Preis gescheitert. Und beim Erstversicherer Ergo habe man zu lange gewartet und zu spät umgesteuert, räumte von Bomhard ein.

Nun ist der ehemalige Allianz-Deutschland-Chef Markus Rieß dabei, Ergo wieder in die Spur zu bringen. Nach zwei Jahren mit roten Zahlen - 2016 waren es 40 Millionen Euro Minus - soll die Düsseldorfer Tochter wieder 150 bis 200 Millionen Euro Gewinn abwerfen. Nach dem Umbau des Deutschland-Geschäfts arbeitet Rieß nun an seiner Auslandsstrategie. In reifen Märkten wie Polen, Österreich und dem Baltikum gelte es, die starke Marktposition auszubauen, womöglich auch mit Zukäufen. In China, Indien, aber auch in der Türkei setzt Rieß auf kräftige Wachstumsraten. Bis zum Jahr 2021 sollen - einschließlich der in Ergo aufgegangenen Gesundheitssparte Munich Health - 600 Millionen Euro Gewinn zu Buche stehen, 100 Millionen mehr als bisher geplant.

Doch auch im Kerngeschäft steht die Münchener Rück vor einem Umbruch. "Die Digitalisierung verändert die Nachfrage unserer Kunden, sie erlaubt innovative Geschäftsmodelle und erfordert bislang undenkbare Partnerschaften", sagte von Bomhard. Wenning werde diesen Wandel vorantreiben. Ein Hoffnungsträger ist die Versicherung von Cyber-Risiken, in der die Münchener Rück auch als Erstversicherer auftritt und sich mit einem Marktanteil von rund acht Prozent weltweit führend sieht. "Dieses Geschäft wird wachsen, da bin ich ganz sicher", sagte Rückversicherungs-Vorstand Torsten Jeworrek. Sie berge aber wegen der mangelnden Erfahrungen und der rapiden IT-Entwicklung Probleme. "Wir wollen nicht blind und blauäugig in Risiken hineinlaufen."