Analysten warnen, dass neue Marktteilnehmer sie im schlimmsten Fall aus dem Feld schlagen.
Jahrelang haben Rückversicherer blendend verdient. Zweistellige Eigenkapitalrenditen galten als normal - wenn man die schlimmen Katastrophenjahre wie 2001 mit den Terroranschlägen in New York, 2005 mit den Wirbelstürmen wie "Katrina", "Wilma" und "Rita" oder 2011 mit den Erdbeben in Japan und Neuseeland ausklammert. Rückversicherer bündeln Risiken aus aller Welt und tarieren sie so aus, dass sie keine Katastrophe umwirft - und die versicherten Schäden begleichen können. Der Branchentreff Rendez-Vous de Septembre im Fürstentum Monaco, der in diesen Tagen zum 60. Mal stattfindet, versprüht diesen Glanz vergangener Zeiten.
Doch in Jahren mit Niedrigzinsen und geringen Schäden lockt das Geschäft immer neue Akteure an. Pensionsfonds und Hedgefonds zeichnen Katastrophenanleihen und übernehmen in anderer Form Versicherungsrisiken. 71 Milliarden US-Dollar Kapital sind so in den Markt gekommen - ein Fünftel der weltweiten Rückversicherungskapazität, wie die Ratingagentur A.M. Best ausgerechnet hat. Die Preise für Rückversicherungsschutz sind seit 2013 im freien Fall. 2015 erzielten die Rückversicherer laut A.M. Best noch eine Eigenkapitalrendite von 9,5 Prozent - trotz geringer Schäden. Schon 2017 dürften die Prämien im Schaden- und Unfallgeschäft nicht mehr ausreichen, um die Aufwendungen zu decken, schätzt die Ratingagentur Standard & Poor's.
So darf das nicht weitergehen, sind Branchenvertreter überzeugt. "Unser Geschäftsmodell muss sich ändern und wird sich ändern", sagt Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek. Neue Versicherungsfelder müssen her, neue Risiken, in die Branchenneulinge nicht so leicht eindringen können. Die Großen setzen auf maßgeschneiderte Lösungen anstelle des Massengeschäfts. Doch das reicht bislang nicht aus, um die Rückgänge auszugleichen.
Inzwischen ist ein Hype um die Versicherung von Cyber-Risiken rund um Computersysteme und Datenbestände ausgebrochen. Nach Hackerattacken auf Unternehmensserver mit Kundendaten und anderen Pannen kommt dieses Geschäft ins Rollen, der Löwenanteil entfällt auf die USA. Doch auch in Europa gewinnt das Thema in Fahrt. "Wir bauen das Geschäft langsam auf und lernen dabei die Risiken kennen", sagt Swiss-Re-Chef Christian Mumenthaler. Gemessen an dem Volumen, das die Rückversicherer sonst bewegen, bleibt "Cyber" mit geschätzten 3 Milliarden Dollar Beitragseinnahmen in der gesamten Branche aber vorerst ein Tropfen im großen Prämien-Pool.
Zudem laufen Rückversicherer Gefahr, in guter Absicht ihre eigenen Wachstumschancen zu untergraben. Denn Munich Re & Co. helfen ihren Kunden, deren Risiken in den Griff zu bekommen - und so die Zahl der Schäden von vornherein zu verringern. "Wenn die Risiken aber sinken, sinken auch die Prämien", sagt Munich-Re-Vorstand Jeworrek.
Besonders heftig könnte der Umbruch in der Kfz-Versicherung ausfallen, wenn selbstfahrende Autos in den kommenden Jahrzehnten zum Normalfall im Straßenverkehr werden. In den USA dürften die Prämieneinnahmen der Kfz-Versicherer bis zum Jahr 2050 um mehr als 40 Prozent einbrechen, schätzt der weltgrößte Rückversicherungsmakler Aon Benfield. Viele Betriebsrisiken übernimmt dann voraussichtlich der Autohersteller - als einen Fall der Produkthaftung.
Dass ausgerechnet Google den großen Autobauern mit dem selbstfahrenden "Google Car" vorführt, wie Innovation von außen geht, muss den Versicherern eine Warnung sein. "Das eine Risiko ist, von einem Wettbewerber ausmanövriert zu werden", schreiben die Analysten von A.M. Best um Robert DeRose in einer Studie über die Bedeutung der Rückversicherer. "Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn ein Unternehmen von außerhalb der Branche sie komplett zerstört." Das, schätzen die Branchenexperten, sei vielleicht die größte Gefahr überhaupt./stw/she/stb