Direkt nach ihrem Amtsantritt im Juli kündigte die Konservative bis Herbst eine Prüfung des Projektes an, das vom staatlichen Energiekonzern Electricité de France (EDF) und seinem Partner China General Nuclear (CGN) gebaut und betrieben werden soll. Denn es gibt Zweifel an den finanziellen Konditionen des Geschäfts und eine weitere Debatte, wie groß der Einfluss des kommunistischen Chinas auf die Nukleartechnik der Atommacht Großbritannien werden soll.

Premierminister David Cameron hatte dem Geschäft 2015 endgültig seinen politischen Segen erteilt und China beim Besuch von Staatspräsident Xi Jinping die Türen auf der Insel weit geöffnet - so weit, dass man sogar in der Bundesregierung damals über einen britischen "Kotau" spottete. May hatte anscheinend aber schon in ihrer Zeit als Innenministerin Zweifel am Plan angemeldet, ausgerechnet China in einen so sicherheitsrelevanten Bereich im Königreich aktiv werden zu lassen.

WIE SICHER IST CHINA ALS PARTNER IM ATOMBEREICH?



Bereits im vergangenen Jahr hatte Nick Timothy, Mays jetziger Chefkoordinator in der Regierungszentrale, auf Warnungen von Sicherheitsexperten verwiesen, mit CGN erhalte ein Staatsunternehmen direkten Zugang zu Computersystemen, die ein Abschalten der britischen Energieproduktion erlaubten. China gehört nach Einschätzung westlicher Geheimdienstler ohnehin seit einigen Jahren zu den Nationen, denen systematische Angriffe auf Netze westlicher Unternehmen vorgeworfen werden. Auch in den USA hatte es damals Stirnrunzeln über das Megaprojekt des engen Sicherheitspartners Großbritannien gegeben.

Umso empfindlicher reagieren Chinesen auf das Zögern. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking mahnte am Montag, die britische Regierung solle das Projekt möglichst bald beginnen lassen. In Medien der Volksrepublik wird vor Kritik an chinesischen Investitionen auf der Insel gewarnt. Denn Hinkley Point soll für die Chinesen nur der Start für einen viel breiteren Einstieg in den britischen Atommarkt sein. CGN will eine Minderheitsbeteiligung an dem ebenfalls von EDF geplanten Bau eines Reaktors im ostenglischen Sizewell erwerben. Beide Unternehmen wollen zudem ein AKW in Bradwell-on-Sea im Südosten Englands errichten.

Ins Schlingern gerät Hinkley Point aber auch wegen der Finanzen - auf französischer wie britischer Seite. Bei EDF gab es eine erbitterte Debatte darüber, ob sich der Konzern nicht übernimmt - weshalb Finanzvorstand Thomas Piquemal seinen Rücktritt erklärte. Immerhin hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits 2,8 Milliarden Euro in Hinkley Point investiert, wo 2019 der erste Beton für die Anlage fließen soll. Und die Unternehmensschulden sind auf 37 Milliarden Euro gestiegen.

ATOMSTROM ZU TEUER?



In Großbritannien wiederum regt sich Widerstand gegen die garantierte Stromabnahme für einen Zeitraum von 35 Jahren: Denn EDF soll einen Preis von 109,4 Euro pro Megawattstunde bekommen. Seit Beginn der Planungen ist der Strompreis aber stark gefallen. Die Differenz zwischen Abnahmepreis und Marktpreis könnte die Briten statt der kalkulierten 7,1 Milliarden Euro bis zu 35,5 Milliarden Euro kosten, warnt das National Audit Office, das Gegenstück zum deutschen Bundesrechnungshof.

Wie beim Brexit scheint die neue Regierung nicht zu wissen, was sie eigentlich will. Eigentlich hätte sie am vergangenen Freitag den bereits ausgehandelten Investitionsvertrag unterzeichnen sollen, was sie aber nicht tat. Dabei hat auch die französische Regierung, die 85 Prozent an EdF besitzt, bereits aufgefordert, das Projekt fortzusetzen.

EDF hält sich bedeckt, ob man gegen die Regierung in London angesichts der bereits getätigten Investitionen auf Schadensersatz verklagen könnte, wenn sie nun aus Sorge um Chinas Rolle oder wegen explodierender Kosten einen Rückzieher machen sollte. Ein Thema spielt bei der Überprüfung der Pläne aber keine Rolle: Etwaige Zweifel an der Sicherheit der neuen Reaktoren.

rtr