Es geht weiter in Wien. Fast wie bisher. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler wird die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen fortgesetzt. Zunächst zumindest. Neuer Kanzler ist Alexander Schallenberg, einst Außenminister, danach Minister für europäische und internationale Angelegenheiten. Er gilt als untadelig, sei weit entfernt von jenen Praktiken, die man Kurz vorwirft: manipulierte Meinungsumfragen und Gefälligkeitsberichterstattung in Boulevardzeitungen, erkauft mit Steuergeld.

Kurz wird trotz Abtritt eine prägende Figur bleiben: als ÖVP-Partei- und Fraktionschef, der auch Teil des Ministerrats ist. "Schattenkanzler" spottet die Opposition. Immerhin: Eine Staatskrise wurde vermieden. Durch die Neuformierung der Regierung dürfte die Politik auf dem eingeschlagenen Kurs bleiben. So dürfte etwa die ökologisch angehauchte Steuerreform wie geplant eingeführt werden.

Die relative Stabilität ist damit auch gut für den wirtschaftlichen Aufschwung. Ohnehin hat die österreichische Volkswirtschaft die Covid-Krise deutlich schneller als erwartet überwunden. Vorlaufende Indikatoren signalisierten laut dem Wiener Konjunkturforschungsinstitut Wifo, dass nun die "Hochkonjunkturphase" beginne. Das sieht auch der IWF so. Hier geht man für das laufende Jahr von einem Wachstum von 3,9 Prozent aus und von 4,5 Prozent für 2022. Zum Vergleich: Für den gesamten Euroraum gehen die Forscher von einem Plus von fünf, danach von vier Prozent aus.

Wachstum auf breiter Basis

Das Wirtschaftswachstum in der Alpenrepublik ist dabei breit abgestützt. Da sind die Erholung und der Nachholbedarf im privaten Konsum sowie dank der weltweit enormen Wirtschaftserholung ein kräftiger Anstieg der Exporte. Zudem ist laut Wifo mit einer hohen Investitionsdynamik zu rechnen, angetrieben durch die staatlichen Investitionsanreize sowie durch Kapazitätsengpässe, die immer häufiger werden. Bis Ende 2022 werde Österreichs Wirtschaft dann "auf den ursprünglichen Wachstumspfad zurückgefunden" haben.

An der Börse ist die Regierungskrise ohnehin spurlos vorübergegangen. Der Handelsplatz Wien konnte seine Position als eine der weltweit besten Börsen im laufenden Jahr behaupten. Prägend sind im Leitindex ATX Aktien aus überwiegend zyklischen Branchen, bei denen die konjunkturelle Erholung erst in diesem Jahr eingesetzt hat. Dazu gehören Banken, Versicherer, Immobilienkonzerne, Öl und Stahl. "Die Wiener Börse ist in Abschwungphasen meist Underperformer, erholt sich daraufhin aber meist deutlich stärker", so eine Analyse der größten Bank des Landes Erste Group.

Viele österreichische Firmen werden zudem von den großen Investoren wegen ihrer relativ geringen Marktkapitalisierung mehr oder weniger "vergessen". So kommen alle im Leitindex ATX versammelten Unternehmen in der Summe auf einen niedrigeren Börsenwert als das gewichtigste DAX-Unternehmen Daimler.

Dabei sind Unternehmen aus Austria für internationale Anleger eigentlich besonders interessant, da sie einen Großteil ihrer Absatzmärkte in Osteuropa oder Südosteuropa haben. Wien gilt als "Tor zum Osten", was an den über Jahrhunderte historisch gewachsenen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen liegt. Gut zu sehen ist das auch an der Erste Group, deren Aktien nicht nur in Wien, sondern auch an den Börsen Prag und Bukarest gelistet sind. Bei der Bank läuft es hervorragend: Die Gewinne sprudeln, und der Konzern will nach der letztjährigen "Corona-Pause" wieder Dividende bezahlen.

Interessante Nebenwerte

Zu den langfristig spannenden Aktien gehört auch Frequentis. Das Unternehmen hat sich auf "sicherheitskritische Kommunikationslösungen" spezialisiert. 70 Prozent des Umsatzes entfallen auf Informations- und Kommunikationslösungen für die Luftverkehrssicherung. In Deutschland gehören auch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zur Kundschaft: Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienste. Hier wollen die Österreicher der Vorreiter bei Cloud-Lösungen für die Leitstellen werden.

Interessant ist auch der Baukonzern Porr, dessen Aktie allerdings wegen einer Kartellklage immer noch unter Druck ist. Positiv ist der Auftragsbestand des Konzerns, der hoch ist wie nie. Dazu hat man sich ein Sparprogramm verordnet, die Kosten werden drastisch gesenkt. Die Gewinnspanne vor Steuern soll sich dadurch binnen drei Jahren verdoppeln. Beim Umsatz gehen Analysten von einem Anstieg von derzeit 5,3 auf sechs Milliarden Euro aus, der Gewinn pro Aktie soll auf bis zu vier Euro steigen. Damit hat der Wert viel Potenzial. Dass man sich zudem in Sachen Kartellklage auf eine - wenn auch historisch hohe - Strafe geeinigt hat, macht ebenfalls Mut.

 


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