Obwohl die Niederlande es flächenmäßig nur in das letzte Drittel in Europa schaffen, zählen sie wirtschaftlich zu den Top-Staaten. Zwischen 1982 und 2008 überstand das Land sagenhafte 103 Quartale ohne Rezession. Nur Australien weist eine noch längere Phase auf.
Zudem ist es auch überdurchschnittlich wachstumsstark. In den letzten drei Jahren lag der BIP-Zuwachs jeweils deutlich über dem der Eurozone. Den Prognosen zufolge wird das auch 2019 und 2020 so bleiben. Jüngste Daten aus der Industrie unterstreichen die Erwartungen. Während der Einkaufsmanagerindex für die Industrie in der Eurozone im März auf 47,5 Punkte abrutschte und damit das niedrigste Niveau seit knapp sechs Jahren markierte, signalisierte das Barometer in den Niederlanden mit einem Wert von 52,5 Punkten weiterhin Wachstum.
Die im Vergleich robuste wirtschaftliche Verfassung spiegelt sich am Kapitalmarkt wider. Sowohl auf Sicht von einem Jahr als auch auf Sicht von fünf Jahren liegt der Leitindex AEX deutlich vor dem Euro Stoxx 50.
Kaum zu schlagen in Sachen Kursgeschwindigkeit ist dabei der Indexneuling Adyen. Der digitale Bezahldienstleister feierte im Juni vergangenen Jahres sein Börsendebüt mit einer Kapitalisierung von sieben Milliarden Euro, heute ist das Unternehmen dreimal so viel wert. Mit seinem Geschäftsmodell trifft Adyen genau den Nerv der Zeit. 2018 erzielte die Gesellschaft ein Erlösplus von 60 Prozent, der operative Gewinn verbesserte sich um 83 Prozent. Adyen hat sich zum Ziel gesetzt, die Umsätze weiterhin im Bereich von Prozentwerten im mittleren zwanziger bis niedrigen dreißiger Bereich zu steigern. Ein echtes Wachstumsunternehmen also, das allerdings mittlerweile relativ teuer ist. Auf Basis der erwarteten Ergebnisse für 2020 errechnet sich ein KGV von stolzen 76. Adyen bietet eine gute Story, die auf dem aktuellen Niveau aber ausreichend bezahlt erscheint.
Hier sehen wir Potenzial
Potenzial räumen wir dagegen der ASML-Aktie ein. Für den Chip-Zulieferer dürften sich die Aussichten nämlich schon bald wieder aufhellen. ASML selbst hatte Anfang des Jahres vor einem holprigen Start gewarnt. Diesen Schock haben Anleger aber inzwischen verdaut, sie richten ihren Blick auf die zweite Jahreshälfte. Denn viele Großkunden haben zuletzt ihre Bestellungen dorthin verschoben. Darüber hinaus dürfte sich der Wechsel hin zur EUV-Lithografie weiter fortsetzen. Mit dieser Technologie können extrem kleine, effiziente und schnelle integrierte Schaltkreise geformt werden. Verkaufte ASML 2018 insgesamt 18 EUV-Maschinen, sollen es dieses Jahr bereits nahezu doppelt so viele werden. Wir setzen auf die zunehmende Geschäftsdynamik im weiteren Jahresverlauf und stufen den Titel auf "Kaufen" hoch.
Ebenfalls zu einem Rating-Upgrade kommt es bei Unilever. Denn in Zeiten, in denen die Wirtschaft einen Gang zurückschaltet, kann es nicht schaden, nach vergleichsweise konjunkturresistenten Geschäftsmodellen Ausschau zu halten. Ein solches weist der Konsumgüterriese auf. Das Unternehmen steht seit Anfang des Jahres unter der Führung von Alan Jope, der vor allem der Beschleunigung des Wachstums oberste Priorität einräumt. Der Vorstandschef geht davon aus, dass sich die operative Marge 2019 trotz schwieriger Marktbedingungen weiter verbessern wird. Auch an dem operativen Renditeziel des früheren Konzernchefs Paul Polman von 20 Prozent (2018: 18,4 Prozent) hält Jope fest.
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Zukäufe plus Aktienrückkäufe
Bei Philips spekulieren wir auf nachhaltige Erfolge beim Konzernumbau. Dass die Transformation zum Gesundheitsunternehmen auf bestem Weg ist, zeigte das vierte Quartal. Unter anderem florierende Geschäfte mit Diagnose- und Behandlungsgeräten sorgten bei dem Medizintechnikanbieter für Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Das prall gefüllte Auftragsbuch lässt zudem auf ein gutes Jahr 2019 hoffen. Darüber hinaus kauft Philips auch weiter zu. Erst Ende März verleibte sich die in Amsterdam ansässige Firma den Teleradiologie-Plattform-Entwickler Direct Radiology ein, um das eigene radiologische Portfolio zu ergänzen. Philips investiert aber nicht nur in andere Unternehmen, Anfang des Jahres wurde zudem ein Aktienrückkaufprogramm über 1,5 Milliarden Euro gestartet.
Eigene Anteilscheine erwirbt derzeit auch Akzo Nobel. Zudem konnte der Farbenhersteller zuletzt Preiserhöhungen durchdrücken und dadurch eine schwächere Nachfrage aus China kompensieren. Für 2019 geht das Unternehmen von einer Geschäftsbelebung im Reich der Mitte aus. Das sollte Akzo Nobel auf den Wachstumspfad zurückführen. Wegen der weiterhin unsicheren Branchenkonjunktur im Chemiesektor reicht es im Moment allerdings nicht für eine Kaufempfehlung.
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Auf einen Blick: Niederlande