von Herausgeber Frank-B. Werner
Um mehr als vier Prozent sind die Kurse der großen deutschen Automobilhersteller seit Freitag gefallen. Mit der Titelgeschichte "Das Kartell" hat der "Spiegel" über das Wochenende die Schlagzeilen beherrscht. Dabei gibt es das "Abgaszentrum der Automobilindustrie" seit 1996. Es hat eine eigene Website, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und war auch bereits im Januar 1996 Gegenstand der "Spiegel"-Berichterstattung - wie Autojournalist Guido Reinking in "Tichys Einblick" süffisant anmerkt. Die mediale Kakophonie zu diesem Thema sollte sich also demnächst wieder legen, es sei denn, es tauchten neue, tatsächlich geheime Absprachen auf. Gleichwohl scheinen die niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse von unter zehn angemessen. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. Überall auf der Welt ist der Automarkt durch ungeheuer günstige Finanzierungsangebote heißgelaufen - in den USA hat sich sogar eine Art Subprime-Markt entwickelt. Das lässt die Branche extrem anfällig für eine Korrektur erscheinen.
Währenddessen rechnen die Analysten, was die EU-Aufsichtsbehörden gegebenenfalls für Strafen verhängen könnten. In Summe 44 Milliarden Euro für Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW - zehn Prozent der Umsätze von 2016, orakelte beispielsweise die Deutsche Bank am Dienstag in ihren "Perspektiven am Morgen". Beat Kappeler, Kolumnist der "NZZ am Sonntag", kommentiert, solche Bußen seien "keine Strafen mehr, sondern Konfiskationen bei reichen Firmen, die zahlen können". In der Tat hat man den Eindruck, dass es in erster Linie um die Sanierung der Staatskassen geht, sehen doch die Opfer des Fehlverhaltens von den Strafzahlungen meist keinen einzigen Cent.
Die Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte mit der Ausgabe einer fünfjährigen Schuldverschreibung zu Wochenbeginn feiert Premierminister Alexis Tsipras als Erfolg. Aber er geht auch ein erhebliches Risiko
ein. Jetzt darf bei Sanierung und Privatisierung nichts mehr schiefgehen.