GLP-1-WIRKSTOFFE - Der Markt für Abnehmspritzen nimmt während der nächsten Jahre rasant Fahrt auf. Warum Eli Lilly und Novo Nordisk lange dominieren werden
Mehr als tausend Milliarden (eine Billion) Dollar wert: Fünf Technologiekonzerne haben diese Schwelle überwunden. Apple schaffte jüngst sogar die Marke von drei Billionen. Allein in diesem Jahr legte der Börsenwert des Konzerns um tausend Milliarden Dollar zu. Von dieser Dimension sind die erfolgreichsten Riesen in der Pharmabranche, trotz hochprofitabler Geschäftsmodelle, weit entfernt. Während der nächsten Jahre könnte es nun einem Pharmakonzern gelingen, als Erster seiner Branche an der Börse mehr als eine Billion Dollar wert zu sein. Auf dem Weg muss auch die größte Barriere der Branche gemeistert werden: Patentklippen — wenn der Patentschutz für Blockbuster-Arzneien endet. Das schmälert die üppigen Gewinne mit den begehrten Medikamenten stark — fatal, wenn ausreichend Ersatz mit neuen Blockbustern fehlt. 2030 endet in der Branche der Patentschutz für Originalpräparate mit 200 Milliarden Dollar Gesamtumsatz. Der mit aktuell fast 600 Milliarden Dollar bewertete Pharmakonzern Eli Lilly ist auf einem guten Weg, die Börsenbillion während der nächsten Jahre zu erreichen. Auch wenn der Spezialist für Diabetes- und Alzheimer-Wirkstoffe erst in diesem Jahr groß ins Geschäft mit Abnehmspritzen einsteigt, ist das Unternehmen, das mehr als hundert Jahre in Folge Dividende zahlt, durch den Boom in diesem Markt an der Börse bereits der wertvollste Pharmakonzern.
Das vielfältige Peptidhormon GLP-1
Wirkstoffe auf Basis des Peptidhormons GLP-1, die zur Behandlung der „Zuckerkrankheit“ wöchentlich unter die Haut gespritzt werden — bei Eli Lilly ist es Tirzepatid — erwiesen sich auch als effiziente Appetitzügler und Gewichtsreduzierer. Anfang November wurde nun Eli Lillys Tirzepatid, das als Zepbound vermarktet wird, in den USA, in Europa und anderen westlichen Ländern auch als Wirkstoff in Abnehmspritzen zugelassen. Ab 2024 trumpft der Konzern aus Illinois dann gegen seinen dänischen Rivalen im Diabetesgeschäft, Novo Nordisk, auf. Bisher dominieren die Skandinavier das Geschäft mit Abnehmspritzen mit ihrem Diabeteswirkstoff Semaglutid, der als Wegovy vermarktet wird. Mit Zepbound werden Eli Lilly schon 2024 1,4 Milliarden Dollar Umsatz zugetraut, 1,3 Milliarden davon allein in den USA. 2025 sollen es 4,6 Milliarden, 2030 rund 26 Milliarden Dollar sein, erwarten Experten des US-Börsendienstes Bloomberg. Novo Nordisk dürfte in diesem Jahr mit Wegovy und Ozempic auf Basis von Semaglutid und dem weiteren Diabeteswirkstoff Liraglutid, der als Saxenda vermarktet wird, fast sechs Milliarden Dollar erlösen, 4,3 Milliarden davon mit Wegovy. 2030 sollen es knapp 20 Milliarden Dollar sein, 19,2 Milliarden mit Wegovy. Eli Lillys Tirzepatid kombiniert als erster Wirkstoff die Wirkung von zwei Hormonen (GLP-1 und GIP) und wird deshalb als „Stern in der Behandlung von Diabetes“ gefeiert. Diese stärkere Wirkung zeigt Tirzepatid auch in der Abnehmspritze. „Es ist der bisher effizienteste Wirkstoff“, sagt Fatima Cody Stanford, Professorin an der Harvard Medical School und Ärztin am Massachusetts General Hospital. Dennoch bietet Eli Lilly seinen Stoff deutlich günstiger als Novo Nordisks Wegovy an. Das zeigt: Auch die beiden bei Abnehmspritzen voraussichtlich lange dominierenden Anbieter kämpfen intensiv um jeden Prozentpunkt mehr in dem lukrativen Geschäft — trotz der gewaltigen Nachfrage, mit der die Steigerung der Wirkstoffproduktion bei den beiden Konzernen derzeit noch nicht mithalten kann.
Rasantes Wachstum - von 2,5 auf 80 Milliarden Dollar Umsatz
Der Markt wird während der nächsten Jahre deutlich anziehen, ohne die Dominanz der beiden Unternehmen zu schmälern, prognostiziert der US-Börsendienst Bloomberg. Im vergangenen Jahr wurden laut Bloomberg Intelligence (BI) mit Abnehmspritzen weltweit 2,5 Milliarden Dollar erlöst. Bis 2030, während der nächsten sieben Jahre, soll der Markt gegenüber 2022 um mehr als das Dreißigfache zulegen (auf 80 Milliarden Dollar), schätzt das Team des BI-Experten Michael Shah. Eli Lilly und Novo Nordisk werden dann voraussichtlich 49 und 43 Prozent des globalen Umsatzes einfahren. Die verbliebenen acht Prozent in dem 80-Milliarden-Dollar-Business werden sich voraussichtlich Amgen, Altimmune, Zealand und Innovent teilen. Ihre Wirkstoffe werden vermutlich erst 2027 zugelassen. Besonders aussichtsreich ist Novo Nordisks dänischer Rivale Zealand Pharma. Die Firma mit einem geschätzten Erlös von umgerechnet 55,1 Millionen Dollar für 2023 profitiert von ihrer Partnerschaft mit dem nicht börsennotierten deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. Zealand hat aktuell vier Wirkstoffe in klinischen Testphasen. Survodutide, der in den Tests am weitesten fortgeschrittene GLP-1-Wirkstoff, wurde in Kooperation mit Boehringer Ingelheim entwickelt. Einer der Zealand-Wirkstoffe wird auf Basis des Amylin-Hormons entwickelt, das in der Bauchspeicheldrüse zur Regulierung des Blutzuckers ausgeschieden wird. „Das könnte für Zealand das große Ding werden, weil es ein anderer Ansatz ist und die Firma sich das zugehörige Umfeld gesichert hat“, sagt Analystin Suzanne van Voorthuizen von Van Lanschot Kempen über den Wirkstoff, der allerdings noch in einer frühen Testphase ist.
Wie sich Eli Lilly und Novo Nordisk absichern
Um ihren Vorsprung abzusichern, leisteten sich die Riesen Novo Nordisk und Eli Lilly in diesem Jahr zusammen Zukäufe im Wert von 3,5 Milliarden Dollar. In den zehn Jahren zuvor investierte die Branche in diesem Bereich laut Datendienstleister Dealogic weniger als ein Zehntel der Summe in Zukäufe: rund 305 Millionen Dollar. Für 2024 strebt Novo Nordisk für seinen Wirkstoff Semaglutid auch die Zulassung in Pillenform an. Das sollte dem Markt zusätzliche Impulse liefern. Chef Lars Fruergaard Jørgensen lässt währenddessen eine weitere „Goldmine“ erschließen, wie er der „Financial Times“ sagte: Daten von Patienten, aus denen sich die Ursachen für eine Prädisposition zu Übergewicht herleiten lassen. Daraus ließen sich Medikamente zur Prävention entwickeln.Der Boom bei Abnehmspritzen lockt nun auch den Schweizer Pharmariesen Roche an. Die Eidgenossen hatten als eine der Ers- ten zu GLP-1-Wirkstoffen geforscht. Nach Rückschlägen durch starken Brechreiz bei Patienten stellten sie ihre Projekte vor mehr als zehn Jahren ein. Nun übernehmen sie für 3,1 Milliarden Dollar den Wirkstoffentwickler Carmot Therapeutics, an dem Roche bereits beteiligt war. Bei Eli Lilly weiß Chefwissenschaftler Daniel Skovronsky, der dort seit 2010 an Bord ist und mehr Zug in die Forschung und Entwicklung brachte, dass die gut laufenden Geschäfte des Konzerns mit Abnehmspritzen, Diabetes und Blockbus- tern zur Behandlung von Alzheimer nicht ausreichen werden, um Patentklippen zu meistern. Wie vor einigen Jahren bei den nun begehrten Abnehmspritzen müsse der Konzern deshalb immer auch in Märkten abseits „der breiten Straßen, wo viele unterwegs sind“, forschen. Aktuell liefen im Konzern deshalb auch Projekte „zur Behandlung von Gehörverlust“ und zur „Behandlung von großen Schmerzen“. Bei der Behandlung von Krebs und in der Immunologie will Eli Lilly weiter nach vorn und leistete sich dort jüngst zwei Zukäufe für 2,4 und 1,4 Milliarden Dollar.
Die Spritzenmacher
Vom Boom der Schlankmacher und den forcierten Steigerungen der Kapazitäten profitieren auch die Spritzenhersteller Schott Pharma und Gerresheimer. Der Konzern aus dem Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim erhielt im dritten Quartal von Kunden 70 Millionen Euro Vorauszahlung für Kapazitätserweiterungen. Daran lasse sich ablesen, dass es sich nicht um ganz kleine Aufträge handle, sagte Chef Dietmar Siemssen.
Wikifolio Euro am Sonntag Moat Kings
Anlegende Warren Buffett bezeichnet besonders stabile und für Konkurrenten kaum einholbare Wettbewebsvorteile eines Unternehmens als "economic moat". Die beiden Diabtes-Riesen Novo Nordisk haben ihre "moats" in der Pharmabranche erfolgreich auf den neuen Wachstumsmarkt für Schlankmacherwirkstoffe übertragen, sie haben diesen Markt begründet und müssen nun voraussichtlich erst ab 2027 mit ersten Konkurrenten rechnen.Beide Werte tragen derzeit wesentlich zur Wertentwicklung des Wikifolios Euro am Sonntag Moat Kings bei. Mit dem entsprechenden Zertifikat auf das Wikifolio (WKN LS9SWT ) können Anleger von der Wertentwicklung des Portfolios profitieren. Aktuell im Wikifolio enthalten sind neben Novo Nordisk, Eli Lilly folgende "Moat-Könige" (alphabetisch): Adobe, Amazon, Apple, ASML, Blackrock, Berkshire Hathwaway, Costco Wholesale, Ferrari, General Electric, Linde, LVMH, Microsoft, MSCI, Nike, Nvidia, MSCI Global, Synopsys, Visa.
Weitere Infos unter: www.wikifolio.com
Das Wikifolio Euro am Sonntag Moat Kings wurde von der Redaktion zusammengestellt und wird vom Autor dieses Artikels, Klaus Schachinger, der innerhalb des Verlags von Euro am Sonntag zu Börse Online wechselte, betreut. Die Gewichtung der einzelnen Aktien und die Zusammensetzung des Wikifolios können bei Bedarf angepasst werden. Die Börsenmedien AG und der Autor werden an den Verwaltungsgebühren für das Wikifolio beteiligt.
Lesen Sie auch: M.M. Warburg empfiehlt diese 9 deutschen Aktien die jetzt im Januar die Börse outperformen sollen