Die EU und Großbritannien haben sich nach monatelangem Tauziehen im November auf die Regeln für das EU-Goodbye geeinigt. Allerdings muss als nächstes noch das Parlament in London am 15. Januar zustimmen - eine Niederlage gilt als sicher. Der von Premierministerin Theresa May ausgehandelte Brexit-Deal ist ihren eigenen konservativen Tories als auch der Labour-Opposition so verhasst, dass sie das Votum im Dezember in letzter Minute absagte. Knackpunkt ist vor allem die Frage, wie sich nach dem Brexit Kontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland umgehen lassen - auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Bei einem Aus im Unterhaus droht ein ungeordneter Brexit mit Einbrüchen für die Wirtschaft. Die Investmentbank Goldman Sachs rechnet in einer Studie fest mit einem Nein durch das Parlament im ersten Anlauf. Erster der zweite Versuch mit einem kosmetisch aufgehübschten Deal dürfte erfolgversprechender werden.
Vor dem Hintergrund berichtete nun die Zeitung "Daily Telegraph" unter Verweis auf drei Quellen, britische Regierungsvertreter hätten in Brüssel vorgefühlt, ob eine Verschiebung des Austritts möglich sei. Grund seien Sorgen, dass bis zu dem Datum der Scheidungsvertrag mit der EU nicht die notwendige Mehrheit im Parlament erhalten werde. Die britische Regierung widersprach dem. "Wir streben keine Verlängerung an", sagte Brexit-Minister Stephen Barclay in London.
BRÜSSEL ARBEITET AN VERLÄNGERUNG
Doch auch in Brüssel können einige der Idee Charme abgewinnen. In Anbetracht der desolaten Lage der britischen Regierung wird die Möglichkeit laut EU-Vertretern bereits seit einigen Wochen hinter den Kulissen durchgespielt. Man wäre offen für eine Verlängerung, wenn London danach fragen würde. Der Weg sei aber keinesfalls die bevorzugte Option. Durchaus möglich wäre eine Ausweitung um wenige Wochen aber nur dann, wenn der Abschluss des Ausstiegsvertrags unmittelbar bevorstünde. Kompliziert würde die Sache durch die Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai. Großbritannien ist dann eigentlich nicht mehr dabei. Die Sitze der Parlamentarier von der Insel fallen weg.
Allerdings sind die Hürden für eine Verschiebung der Abstimmung hoch, da laut EU-Vertrag die restlichen 27 Staats- und Regierungschefs sich geschlossen dafür aussprechen müssen.
Neuverhandlungen des Abkommens schloss die französische Europaministerin Nathalie Loiseau vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen aus. Auch die EU-Kommission sprach sich strikt gegen Änderungen an dem mühsam ausgehandelten Abkommen aus.
Großbritannien soll am 29. März nach 45 Jahren aus der EU ausscheiden. Bis Ende 2020 gibt es eine Übergangsphase, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn London vor dem Austritt den Scheidungsvertrag mit Brüssel unterzeichnet.
MAAS WARNT VOR CHAOS-BREXIT
Bundesaußenminister Heiko Maas warnte vor einem ungeregelten EU-Austritt, der auf beiden Seiten großen Schaden anrichten würde. "Wir drängen unsere britischen Freunde, verantwortungsvoll zu handeln und sich hinter das Abkommen zu stellen, dessen Aushandlung uns so viel Zeit und Mühe gekostet hat", sagte er in Dublin. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte in der ARD, ein ungeordneter Brexit würde nicht nur in Europa, sondern auch in Großbritannien die Wirtschaft sehr schwer treffen. "Ich hoffe, dass wir Ende nächster Woche klarer sehen, wie es mit dem Brexit weitergeht."
rtr