Das Analysehaus Viceroy Research, das in Südafrika bereits ins Visier der Finanzaufsicht geriet, hat in einem 37-seitigen Papier ProSiebenSat.1 eine fragwürdige Bilanzierung vorgeworfen. Zugleich wettete Viceroy mit Leerverkäufen auf einen Kursverfall der Aktie des Münchner Medienkonzerns. Sie stürzte am 6. März, dem Tag der Veröffentlichung, um rund acht Prozent ab und hat sich davon bisher nicht erholt. ProSiebenSat.1 wies die Kritik zurück und kündigte die Prüfung juristischer Schritte an. Die Vorwürfe seien unbegründet und falsch.

Unabhängig vom Verdacht der Marktmanipulation wirft die Bafin Viceroy vor, sich nicht als Analysehaus angemeldet und damit gegen gesetzliche Informationspflichten verstoßen zu haben.

Viceroy berief sich auf die Meinungsfreiheit und erklärte, man sei sich keiner Rechtsverletzung bewusst. Am Donnerstag verteidigte sich Viceroy-Gründer Fraser Perring erneut und argumentierte, ein Leerverkauf (short sale) sei nicht weniger legitim als eine klassische Spekulation auf steigende Kurse (long sale). "Sie müssen jeden zur Verantwortung ziehen, egal ob er long oder short ist", sagte der Brite der Nachrichtenagentur Reuters. Die deutschen Ermittler seien bisher nicht an ihn herangetreten. "Wir freuen uns über jede Kontaktaufnahme."

"VIZEKÖNIG" BRACHTE MÖBELRIESEN STEINHOFF INS WANKEN



Die Firmenbezeichnung Viceroy verweist auf den Titel des britischen Statthalters und Vizekönigs von Indien in der Kolonialzeit. Perring hat sich mit einer Studie einen Namen gemacht, in der die Bilanzierung des südafrikanisch-deutschen Möbelkonzerns Steinhoff infrage gestellt wurde. Steinhoff räumte anschließend Unregelmäßigkeiten ein, woraufhin die Aktie einbrach. Die Enthüllungen stürzten den Mutterkonzern der Möbelkette Poco auch in eine Liquiditätskrise. Nach einer kritischen Studie von Viceroy über die südafrikanische Bank Capitec begann die dortige Finanzaufsicht Ermittlungen gegen die Analysten wegen möglichen Marktmissbrauchs.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt bereits in einem anderen Fall wegen Marktmanipulation gegen eine zweistellige Zahl an Beschuldigten: Die Aktie des Finanztechnologie-Anbieters Wirecard war in den vergangen Jahren wiederholt abgestürzt, nachdem im Internet Vorwürfe gegen das Unternehmen wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten laut geworden waren. Wirecard hatte dies stets zurückgewiesen, die Vorwürfe erhärteten sich nicht. Die Staatsanwaltschaft betrachtet Wirecard wie auch ProSiebensat.1 als Geschädigte.

rtr